0608 - Wo die Leichenfresser hausen
sollt frei sein, das ist mein Anliegen. Und wenn ihr zum Dank meine Feinde tötet, dann ist uns doch allen gedient.«
»Vielleicht sind deine Feinde auch so stark, daß du selbst nicht mit ihnen fertig wirst?« fragte der Ghoul mißtrauisch.
Wieder lachte der Graue.
»Sagte ich nicht, es ist mein Anliegen, daß ihr euch wieder ausbreitet? Da werde ich euch doch kaum in den Tod schicken! Das wäre doch widersinnig!«
»Es ist jetzt gut«, mischte sich auch Darcon ein. »Wir wären dumm, würden wir diese Chance nicht ergreifen. Ganz gleich, was uns dafür abverlangt wird. Verbleiben wir weiter in dieser Zone, werden wir wieder in Schlafstarre fallen. Es kostet uns doch jetzt schon unwahrscheinlich viel Kraft, überhaupt wach zu bleiben. Und auch in der Schlafstarre werden wir Kraft benötigen. Wenn wir nicht bald Nahrung aufnehmen, besteht die Gefahr, in einigen zehntausend Jahren unsere Existenz zu verlieren. Wollt ihr dieses Risiko eingehen?«
»Trau keinem aus der Schwarzen Familie!« warnte der andere Ghoul erneut. »Es ist ein übler Trick. Er wird uns hereinlegen.«
»Er hat bei der Macht der Hölle geschworen!«
»Er selbst verkörpert die Macht der Hölle, Darcon!«
»Willst du an meine Stelle treten? Willst du uns anführen? Weißt du besser, was für uns gut ist, als ich? Bitte, tu es! Ich erwarte deine Vorschläge!«
»Du bist unser Anführer. Und du sollst es auch bleiben. Aber du solltest auch auf Ratschläge hören.«
»Das habe ich getan. Ich bin selbst wachsam. Aber dies ist unsere große Chance, vielleicht sogar unsere letzte.«
»Habt ihr euch jetzt endlich entschieden?« fragte der Piratenkapitän voller Spott. »Oder dauert eure Diskussion noch lange? Wenn jeder Schwarzblütige erst ein solches Palaver abhalten würde, wären wir alle längst ausgestorben, weil vor lauter Dummschwätzerei und Unentschlossenheit keiner mehr die Zeit hätte, auf Seelenfang zu gehen.«
»Wir vertrauen dir nicht, aber wir sind bereit, und wir werden unseren Teil des Paktes erfüllen«, versicherte Darcon.
Der Graue sagte nichts mehr.
Er konzentrierte sich darauf, die Ghouls an einen anderen Ort zu bringen.
An genau jenen Ort, an dem er sie brauchte…
***
Die nach Rache dürstenden Seelen der Verlorenen heulten über die Insel. Sie fühlten Menschen. Die waren zwar nicht schuld an ihrem Schicksal, aber sie gehörten der weißen Rasse an, die ihr Dorf überfallen, die dort vergewaltigt und gemordet hatten, ihr Dorf niederbrannten und die Überlebenden auf das Sklavenschiff gebracht hatten, wo sie so jämmerlich ums Leben gekommen waren.
Für die Weißen war das etwas ganz normales, für sie waren Schwarze keine Menschen, sie behandelten sie schlimmer als Vieh.
Und dafür würden sie bezahlen!
Auge um Auge. Zahn um Zahn. Blut um Blut. Geist um Geist.
Jetzt, da ihre eigenen Körper tot waren, verstanden sie vieles, was ihnen vorher verschlossen geblieben war. Und doch waren sie noch zu sehr gebunden. Die Freiheit war ferner denn je.
Den Dämon vermochten sie noch nicht zu erfassen, dafür waren sie nicht stark genug.
Aber der Wunsch wurde in ihnen immer mächtiger, vor allem ihn zu verderben. Ihn, den ihr Zauberer gerufen und der sie dann versenkt hatte, statt sie zu befreien.
Der Zauberer selbst war längst tot, verbrannt.
Aber die anderen würden büßen!
***
Der Mann, der wie Robert deDigue aussah, schaute hinauf zum Himmel. Er runzelte die Stirn.
Dann straffte er sich. »Gehen wir«, sagte er.
Der Korporal sah ihn überrascht an. »Und die Gefangenen?«
»Gehen wir!« wiederholte deDigue den Befehl.
»Mit Verlaub, Commandeur. Wir können sie doch nicht einfach hier an den Baum gefesselt und besinnungslos zurücklassen!«
»Wir können!«
»Und - wenn sie von wilden Tieren angefallen werden? Oder wenn sie verhungern? Es wäre vielleicht, wenn Ihr gestattet, wesentlich menschlicher, sie einfach zu erschießen.«
»Natürlich wäre es das«, fuhr deDigue ihn an. »Aber Er kann die Entscheidung darüber ruhig mir überlassen! Als Tote nützen sie mir nichts!«
»Vielleicht kehrt der gnomenhafte Hexenmeister zurück, um sie zu befreien!«
DeDigue trat direkt vor den Korporal.
»Er ist mir ein wenig zu vorlaut, Mann. Was glaubt Er wohl, warum ich zum Commandeur bestellt wurde und nicht Er? Ich denke mir durchaus etwas bei meinen Entscheidungen, und ich werde diese Entscheidungen nicht mit Ihm diskutieren. Falls Er nicht einverstanden ist, mag Er seine Uniform ausziehen und seiner Wege
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