Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0608 - Wo die Leichenfresser hausen

0608 - Wo die Leichenfresser hausen

Titel: 0608 - Wo die Leichenfresser hausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
verfehlt hatte. Oder er hatte absichtlich danebengeschossen.
    Aber aus welchem Grund? Und wieso hatte Zamorra ihn dann angegriffen, indem er ihm das Amulett an den Kopf warf?
    »Muß man denn hier alles selbst machen?« fuhr deDigue die Soldaten an. »Ihr verdammten Narren, der Bursche war nie tot! Er hat sich nur tot gestellt! Wollt ihr das endlich begreifen?«
    Er zerrte Zamorra zu dem Baum und lehnte ihn an den Stamm. Dann begann er, ihn mit dem Strick festzubinden, mit dem vorher noch der Gnom aufgehängt werden sollte.
    »Ihr müßt schon verzeihen, Commandeur«, wandte der Korporal ein. »Aber meinen Männern und mir ist dies wirklich nicht geheuer. Vielleicht ist’s das Werk dieser schwarzhäutigen Mißgeburt, und die läuft jetzt frei herum. Wir sollten von hier verschwinden, Commandeur, und zwar schnellstens. Das hier ist kein gutes Land. Man sagt, die Geister der Indianer leben noch hier und wollen uns Eroberer töten.«
    DeDigue lächelte schmal.
    »Gäbe es Geister hier, würde ich sie sehen«, sagte er. »Wollt ihr wenigstens die Frau anbinden?«
    Der Korporal winkte seinen Leuten, stampfte zornig mit dem Stiefel auf den Boden.
    Da endlich brachten sie Nicole heran.
    DeDigue musterte sie. »Es ist wahre Verschwendung«, sagte er. »Soviel Schönheit… und bald so viel Tod.«
    »Tod?« keuchte Nicole. »Ich dachte, du Mordbube wolltest uns mitnehmen und verhören. Hast du deine Meinung so schnell geändert? Du willst wohl unbedingt jemanden umbringen, was? Mit Capitano Vargaz und dem Gnom hat’s nicht geklappt, als du auf Zamorra geschossen hast, auch nicht, und jetzt probierst du es anders! Was gibt dir das? Das Gefühl der Überlegenheit? Fühlst du dich dann als Gott? Oder vielleicht eher als der Teufel?«
    DeDigue lachte leise.
    »Welch ein Vergleich«, sagte er beinahe heiter. »Gott oder Teufel? Nein, ich bin beides nicht, Mademoiselle. Ihr überschätzt mich. Nun, ich denke, die Befragung erübrigt sich.«
    »Dann laß uns frei!« verlangte sie. »Wir haben kein Verbrechen begangen.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wer weiß?«
    »Warum tust du das?« flüsterte Nicole verzweifelt. »So schlimm hat sich ja nicht mal dein Vater je gezeigt.«
    Seine Augen wurden schmal.
    »Mein… Vater?«, sagte er leise. »Vorhin erwähntet Ihr meine Mutter, die Ihr angeblich nicht kennen wollt. Jetzt erwähnt Ihr meinen Vater und sagt, er habe sich schlimm gezeigt. Woher kennt Ihr meine Eltern?«
    »Er ist ein großer Fürst mit sehr viel Macht. Er tötet, aber er mordet nicht sinnlos. Alles, was er tut, ergibt einen Sinn, auch wenn uns Menschen sein Tun nicht gefällt. Du aber bist nicht mehr als ein Monster, das seinem Mordtrieb freien Lauf läßt, ohne mal darüber nachzudenken.«
    »Ein großer Fürst, ja«, sagte deDigue. »Das stimmt. Ihr mögt ihn nicht, oder?«
    »Spielt es eine Rolle? Du haßt ihn doch auch!«
    »Ich hasse ihn nicht«, erwiderte deDigue. »Und ich mag Menschen nicht, die ihn hassen. Nun, so ist Euer Schicksal leider entschieden. Wie ich schon sagte, es ist eine wahre Verschwendung. Jene, die sich mit Euch befassen werden, werden Eure Schönheit kaum zu schätzen wissen. Nun denn.«
    Er berührte Nicoles Stirn.
    Und im gleichen Moment verlor sie die Besinnung!
    ***
    Der Gnom rannte, so schnell ihn seine Beine trugen. Er tauchte im Wald unter, von der ständigen Angst getrieben, daß die Soldaten ihn verfolgten und wieder einfingen.
    Erst nach sehr langer Zeit und als er völlig aus der Puste war, hielt er inne.
    Niemand war hinter ihm her.
    Er rang nach Atem.
    Er lebte, war noch einmal davongekommen, obgleich er schon den Strick um den Hals gehabt hatte. So nah wie in diesen Minuten war er dem Tod noch nie gewesen.
    Fieberhaft überlegte er, was nun werden sollte. Er war erst mal allein auf sich gestellt. Er hatte zwar den Kapitän retten können, und der schon totgeglaubte Zamorra hatte dann ihn, den Gnom gerettet, aber wer würde nun dem Professor und der Demoiselle helfen? Er mußte umkehren und versuchen, den Zauber zu wiederholen, mit dem er den Kapitän gerettet hatte.
    Ursprünglich hatte er sie alle zugleich von hier verschwinden lassen wollen. Aber das hatte nicht so funktioniert, wie er es sich erhofft hatte. Wieder einmal hatte er irgend etwas falsch gemacht, ohne zu wissen, was es war.
    Mit etwas Pech würde er beim nächsten Versuch nicht Zamorra oder Mademoiselle Nicole fortzaubern, sondern den Kapitän wieder hierher!
    Dennoch mußte er es versuchen. Er konnte nicht

Weitere Kostenlose Bücher