0609 - Tiefsee-Mystik
etwas erlebt hatte.
Da waren Arme über ihren Körper geglitten. Berührungen, körperliche Kontakte. Hände schienen sie wegzerren zu wollen.
War es tatsächlich so gewesen?
Chris Tanner mußte einfach davon ausgehen, daß unter Wasser ein Retter gewesen war, der sie an diesen Ort geschafft hatte.
Doch was war das für ein Ort?
Nicht dunkel, nicht die Finsternis der ewigen Tiefe. Wenn sie in die Höhe schaute, entdeckte sie ein Licht, dessen Quelle nicht auszumachen war. Das Licht lag wie ein türkisfarbener Schleier zwischen den feucht schimmernden Wänden einer gewaltigen Höhle.
Ja, eine Unterwasserhöhle, entstanden aus einer Laune der Natur, aber ihre Rettung.
Nur war ihr unklar, wie sie an diesen Fleck gekommen war. Trotz intensiven Nachdenkens fand sie keine Erklärung dafür. Chris glaubte an ein rätselhaftes Wunder.
Jedenfalls lebte sie, nur das zählte. Jemand hatte sie gerettet und hierher gezogen.
Sie wollte diesen Jemand sehen, ihm danken. Chris freute sich darüber, am Leben zu sein, obwohl sie sich auch jetzt in einem unbekannten Reich befand.
Und noch etwas fiel ihr auf. Sie trug keine Kleidung mehr. Man hatte sie ausgezogen.
Darüber erschrak sie, dachte sofort an eine Vergewaltigung, von der sie nichts bemerkt hatte. Dann wiederum wollte sie das nicht wahrhaben und stellte gleichzeitig fest, daß irgend etwas mit ihren Füßen nicht in Ordnung war. Sie konnte die Beine nicht so bewegen, wie sie es gern gehabt hätte.
Bevor sie genauer nachschauen und kontrollieren konnte, geschah etwas anderes.
Über ihr und um sie herum veränderte sich das Licht. Seine weiche Farbe behielt es bei, nur leuchtete es jetzt intensiver, ohne allerdings die Höhle mit ihren feuchten, rissigen Innenwänden um vieles stärker zu erhellen, wie es eigentlich hätte der Fall sein müssen.
Das Licht war nicht heller, dafür intensiver geworden, und dies mußte etwas zu bedeuten haben. Chris wartete darauf, sie hörte ihren eigenen Atem, der ihr ungewöhnlich zischend vorkam, und dann vernahm sie die geheimnisvolle Stimme.
Vom Hals bis zum letzten Wirbel rann ein Schauer über ihren Rücken, als sie die fremde Stimme vernahm. Sie war wie eine Botschaft aus dem Unsichtbaren, denn den Sprecher, der sich hinter der Stimme verbarg, konnte sie nicht erkennen.
Er mußte sich irgendwo in der Tiefe der Höhle versteckt halten und redete nur sie an. Sogar ihren Namen kannte er, oder war es eine sie? Eine Antwort konnte Chris nicht geben, denn die Stimme klang einfach zu neutral und hallte ihr zudem noch entgegen, denn die Wände warfen die Echos geheimnisvoll zurück.
»Willkommen bei uns, willkommen in einem anderen Reich. Willkommen in der Welt des Heiligen Wassers, in der magischen Zone, die nur Eingeweihten bekannt ist…«
Die ersten Worte der Begrüßung waren verhallt, und Chris bekam Gelegenheit, näher darüber nachzudenken. Sie wußte nicht, was sie davon halten sollte, sie zerbrach sich den Kopf über den Klang der Stimme. Wo konnte sie den Sprecher oder die Sprecherin schon gehört haben?
Eine Lösung wußte sie nicht. Diese Person war ihr fremd, aber sie ging davon aus, daß der Unbekannte herrschte, er über ein Reich herrschte, daß sich unter Wasser ausbreitete und möglicherweise überhaupt nicht bekannt war.
Chris bekam Zeit, noch weiter über die Begrüßung nachzudenken, und sie glaubte sich daran zu erinnern, daß sie mit ihrer Schwester über gewisse Dinge gesprochen hatte.
Gab es da nicht eine Legende oder ein Märchen, das von einem Reich unter Wasser handelte? Hatten sich nicht die Einheimischen manchmal die Köpfe heiß geredet?
Ihre Gedanken irrten weg, zudem wurde sie von der neutralen Stimme wieder angesprochen. Chris lauschte den Worten in einer nahezu fiebrigen Erwartung. Sie wollte etwas hören, und sie wollte wissen, wie es mit ihr weiterging.
»Dein Leben ist gerettet worden, denn die Magie des Heiligen Wassers wollt dich nicht sterben lassen, Chris.«
Die Frau zuckte zusammen, denn die Stimme hatte ihren Namen genannt. Woher kannte sie den?
»Was… was macht ihr mit mir? Was habt ihr mit mir vor, bitte? Ich weiß nicht, was …«
»Du gehörst jetzt zu uns. Es wird Zeit, daß wir uns wieder aufstocken. Wir haben erfahren, daß jemand gekommen ist. Unser Reich befindet sich in einer großen Gefahr. Jahrhunderte war es still um uns gewesen, doch nun haben wir Angst, daß die Menschen über uns herfallen werden und es zu einem Kampf kommen wird. Du bist anders, das haben wir
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