061 - Der Blutgraf
Grappa und kam allmählich davon ab, sich an die Polizei zu wenden. Man würde ihm ja doch nicht glauben.
Er hatte jetzt schon eine schwere Zunge. Die Polizisten würden ihn für betrunken halten - und das war er inzwischen auch.
Als er einsah, daß es unverantwortlich war, wieder in den Panda zu steigen, ließ er das Fahrzeug stehen und ging zu Fuß weiter. Und er trank noch mehr Grappa, denn er merkte, daß ihm der Alkohol half, die Angst zu überwinden.
Bald war er so blau, daß er nicht wußte, in welcher Bar er gelandet war, und er hatte auch keine Ahnung, wie er zu der Gesellschaft dieses jungen blonden Mädchens kam, das an seinem Tisch saß.
Sie war Italienerin, und ihr Haar war mit Sicherheit gefärbt.
Auch Ricardas rotes Haar war nicht echt. Ricarda! Endlich fiel ihm der Name seiner Schwester wieder ein, und er fragte sich bange, was aus ihr geworden war. Im ganzen Schloß hatte er sie nicht finden können.
War das gut oder schlecht?
War es Ricarda gelungen, dem Vampir zu entkommen? Es war möglich. Er selbst war dem gierigen Blutgrafen auch entwischt. Aber in den Mundwinkeln des Schattenwesens hatte Volonte eingetrocknetes Blut entdeckt.
Ricardas Blut?
Nein, sie ist ihm entkommen! dachte der junge Mann trotzig. Sie ist schnell! Sie kann laufen wie ein Wiesel! Sie hat diesen bluthungrigen Bastard abgeschüttelt, ist ihm davongerannt. Nur die Schuhe ließ sie ihm. Er hat sie nicht erwischt.
»Ich muß gehen«, brummte Lando Volonte.
»Es ist noch nicht spät«, sagte das Mädchen.
»Ich muß nach Hause.«
»Ist bei euch um diese Zeit schon Gitterbettsperre?« versuchte ihn das blonde Mädchen aufzuziehen.
»Was haben wir getrunken?«
»Vier Grappa.«
»Bedienung! Ich möchte zahlen!«
Das Mädchen kicherte. Er sah sie verschwommen, aber sie war ganz hübsch. Vor allem ihr Lächeln war wohltuend.
»Bist du verrückt?« sagte sie. »Du hast bereits bezahlt.«
»Ach so? Dann kann ich ja gehen.«
Er schob den Stuhl zurück. Sein Kopf wackelte, und seine Arme hingen schlaff herunter. Mühsam versuchte er aufzustehen. Nach drei fruchtlosen Versuchen gab er es vorerst auf.
Das Mädchen kicherte wieder. »Siehst du, du mußt noch bleiben. Weißt du eigentlich, wieviel Grappa du insgesamt heute getrunken hast?«
»Nein, ich habe schon lange zu zählen aufgehört.«
»Das merkt man.«
Er glotzte die Blonde an. »Du kannst mir glauben, ich habe allen Grund, so viel zu trinken.«
»Liebeskummer? Ein anderes Mädchen könnte dir mehr helfen als der Schnaps. Weißt du noch, wie ich heiße? Hast du meinen Namen behalten?«
»Nein… Ich will nach Hause.«
»Ich heiße Romina.«
»Bringst du mich nach Hause, Romina?«
»Ja, aber nicht sofort. Du bist so schwer betrunken, daß ich nicht weit mit dir kommen würde. Du brauchst erst wieder einen etwas klareren Kopf. Zwei, drei große Mokka werden dir guttun.«
»Vielleicht ist Ricarda inzwischen heimgekommen.«
Das Mädchen sah ihn enttäuscht an. »Du bist verheiratet?«
»Ricarda ist meine Schwester.«
»Die verzeihe ich dir«, sagte Romina und orderte beim Kellner einen sehr starken, doppelten Mokka.
Nach der dritten Tasse klopfte Lando Volontes Herz wie eine Dampframme, und er sah endlich wieder ein bißchen klarer.
»Wenn du immer noch nach Hause willst, können wir es jetzt mit vereinten Kräften versuchen«, sagte Romina und war ihm beim Aufstehen behilflich.
»Warum tust du das? Warum bemühst du dich so sehr um mich?« fragte Volonte verständnislos.
Romina lächelte. »Ist das so schwer zu erraten? Du gefällst mir. Als du in die Bar kamst, sahst du so traurig und mitleiderregend aus, daß ich mich deiner einfach annehmen mußte. Ich hoffe, wir sehen uns wieder, wenn du nüchtern bist. Darüber würde ich mich sehr freuen. Ich bin fast jeden Tag hier. Solltest du mich nicht antreffen, frag den Kellner nach Romina… Dio mio, hoffentlich behältst du meinen Namen. Ich würde dich nämlich sehr gern wiedersehen. Ich glaube, du bist sehr nett, wenn du nicht sternhagelvoll bist. Ist Ricarda wirklich deine Schwester?«
»Natürlich.«
»Na schön, ich glaube dir.«
Das blonde Mädchen legte sich seinen Arm um ihren Nacken und führte ihn aus dem Lokal.
»Glaubst du, du findest hier wieder her?« fragte sie ihn.
»Wo sind wir?«
»In der Via Ostiense. Und wo bist du zu Hause?«
Er nannte ihr seine Adresse.
»Na, so ein Glück«, sagte Romina. »Das ist ja gar nicht weit von hier. Da brauchen wir nicht einmal ein Taxi zu nehmen.
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