0612 - Eine Nacht im Hexenschloß
jedenfalls nicht. Das harte Geräusch der Maschine und das Rauschen des Wassers vermischten sich zu, einer höllischen Musik!
Ich drehte mich im Sitzen.
Der Graben befand sich in Aufruhr. Das Wasser tat, was es wollte.
Für mich nicht erkennbare Kräfte hatten es in die Gewalt bekommen und zerrten es weiter.
Mich natürlich mit.
Manchmal schwankte das Boot so stark, daß ich Furcht vor einem Kentern bekam. Noch schlimmer war das Ziel. Die genaue Umgebung verlor ich aus den Augen, aber ich konnte erkennen, daß sich das Wasser nicht nur im Graben hielt, sondern wie ein schnell fließender Fluß auch eine Mündung besaß.
Sie war ein schmaler Einschnitt in der Burgmauer, ein Zugang wie zu einem Tunnel.
Dort raste die schäumende Flut hinein.
Da konnte ich rudern wie ein Weltmeister, ich würde es nicht schaffen, mich gegen die Strömung zu wehren. Die Gewalt würde mich in den Abfluß zerren, dann war es vorbei.
Oder ich versuchte es mit einer verzweifelten Rettungstat. Wenn mich meine knappen Berechnungen nicht täuschten, würde mich der Hubschrauber genau dann erreichen, wenn ich mich mit dem Boot dicht vor dem Eingang zu diesem unterirdischen Stollen befand.
Innerhalb kürzester Zeit hatte ich mich entschieden, und zwar für den Hubschrauber.
Es war ein Risiko, sich bei dieser rasanten Fahrt auf die Füße zu stellen. Es klappte nicht beim ersten Versuch, der zweite schließlich brachte mich auf die Beine.
Schwankend stand ich da. Wenn es hochkam, würde ich mich vielleicht drei oder vier Sekunden halten können. Alles andere konnte man vergessen.
Der Hubschrauber war da, und zwar so tief, daß mir seine Kufen vorkamen wie blanke Schwerter, die mir im nächsten Augenblick den Kopf vom Körper schneiden konnten.
Dazu ließ ich es nicht kommen. Hastig streckte ich die Arme aus – und griff zu.
Wenn ich die Kufe beim ersten Zupacken verfehlte, würde es zu einem zweiten Versuch nicht mehr reichen.
Ich hatte Glück!
Plötzlich hielt ich sie fest. Mein Griff lockerte sich nicht. Ich zog die Beine an, das Wasser unter mir zerrte mein Boot weiter und schleuderte es auch durch die Maueröffnung, während ich an der Kufe hing wie eine Flagge am Mast und mich fragte, wie es jetzt weitergehen würde…
***
Der Dampf blieb, die Gestalt auch, und Jane Collins wollte ihren Augen nicht trauen. Sie stand auf dem Fleck, ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt, und sie starrte in ein Gesicht, dessen Haut eine Leichenfarbe besaß, das sie jedoch noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Der Tote sah schlimm aus mit seiner großen Wunde auf der Brust. Sein Bart klebte an seinem Kinn, das Gesicht war verzerrt, die Augen hielt er weit offen. Sein Haar lag wie dünner Draht auf dem Kopf, und Jane Collins schaffte es schließlich, ihre Waffe aus der Tasche zu ziehen.
Silberkugeln gegen Zombies, da hatten die lebenden Toten nicht die Spur einer Chance.
Sie feuerte.
Jane Collins widerlegte den Satz, daß Frauen nicht schießen und treffen können. Sie erwischte den lebenden Toten genau. Dicht unter dem Hals hämmerte das Geschoß in die Brust, und einen Moment später zerplatzte der Körper vor ihren Augen.
Mit einem zischenden Laut löste er sich auf. Die Kraft des geweihten Silbers schleuderte ihn in alle vier Richtungen weg, wo er zudem noch gegen die Wände klatschte und Jane auch das Splittern der Knochen mitbekam. Der Qualm blieb, und er sorgte dafür, daß Jane den Zombie nicht mehr sehen konnte.
Janes Arm sank langsam nach unten, obwohl sie persönlich sich nicht entspannt fühlte. Aber sie hatte es geschafft und den verfluchten Zombie vernichtet.
Das heißt, sie sah ihn nicht mehr.
Der Rauch war abgezogen, er gab den Blick frei und hätte ihn auch auf das Loch im Fußboden freigeben müssen, nur konnte Jane dort nichts mehr erkennen.
Der Boden zeigte sich geschlossen.
»Das gibt es doch nicht!« zischte sie, als würde sie Luft durch einen Mundwinkel ausstoßen. Daß überhaupt etwas geschehen war, glaubte sie schon, da der Geruch des Qualms noch zwischen den vier Wänden hing. Nur von den Folgen der beiden Taten konnte sie nichts mehr sehen. Keine Spuren, kein gar nichts, es schien hier überhaupt nichts abgelaufen zu sein. Jane war einiges gewohnt, sie zählte sich auch nicht zu den übervorsichtigen Menschen, dennoch dauerte es eine Weile, bis sie sich entschlossen hatte, auf die Stelle zuzugehen, wo der schreckliche Vorfall stattgefunden hatte.
Mit vorsichtig gesetzten Schritten bewegte sich die
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