0612 - Eine Nacht im Hexenschloß
überhaupt möglich war.
Jedenfalls flog die Maschine derart tief, daß Büsche und halbhoch gewachsenes Baumgeäst meine Füße streiften.
Die Kufe bestand aus Stahl. Verdammt hart schnitt sie in meine Handflächen. Lange würde ich mich in dieser Lage nicht halten können, das stand fest.
Es wurde ein Kampf gegen die Gewalten, denn wer immer den Hubschrauber flog, ihm paßte es nicht, daß ich mich an die Kufe gehängt hatte, und er versuchte, mich loszuwerden.
Sehr dicht flog er auf die Bäume zu. Äste und Zweige peitschten gegen meine Beine, aber ich hielt eisern fest, obwohl mein Körper fürchterlich durchgeschüttelt wurde.
Noch gefährlicher wurde es, wenn der Hubschrauber drehte und in Richtung Schloß flog. Da konnte ich leicht an der Außenmauer zerschmettert werden. Noch war es nicht soweit. Mein erster, schneller Blick in die Tiefe zeigte mir, daß wir uns an der Mauer entlang und über dem Wassergraben bewegten. Hineinfallen wollte ich dort nicht, denn noch immer zog er eine schaumige Bahn. Gefährliche, lange Streifen, die aussahen, wie wild daherschießende Wirbel.
Dann erfolgte der Schwung. Zu plötzlich für mich, als daß ich mich hätte darauf einstellen können. Die Maschine flog von der Schloßmauer weg, meine Beine pendelten jedoch in diese Richtung, aber ich schaffte es, mich auch weiterhin zu halten, als der Hubschrauber an Höhe gewann. Er stieg für meine Begriffe sehr hoch.
Wohin würde die Reise gehen? Zunächst einmal blieben die Baumkronen weit unter mir. Die Maschine steuerte einen anderen Kurs, sie flog in Richtung Burg.
Ich bekam wieder Beklemmungen, wenn ich an die verdammte Mauer dachte, die für mich zu einer Todesfalle werden konnte. Mit hoher Geschwindigkeit dagegen zu schlagen, konnte zumindest Knochenbrüche bedeuten.
Es wurde kritisch. Ich überlegte schon, ob ich es riskieren sollte, abzuspringen, als die Maschine noch mehr an Höhe gewann. Sehr langsam für meine Begriffe stieg sie, nicht weit von der Schloßwand entfernt, in die Höhe, so daß ich sogar die sich dort abzeichnenden Fensterluken zählen konnte.
Dann erschien das Dach. Es bildete eine große Einheit, allerdings von mehreren inselartigen Flecken unterbrochen, und zwar an den Stellen, wo es Beschädigungen zeigte. Man hätte es wirklich flicken müssen, schoß mir der Gedanke durch den Kopf.
Ich zog die Beine an, obwohl es nicht nötig war. Es erschien mir einfach sicherer zu sein.
Wenig später hatten wir es überquert. Unter mir lag die freie Fläche des Innenhofs.
Eine gefährliche Höhe flogen wir. Wenn ich jetzt losließ, wobei ich meine Hände kaum noch spürte, lag ich mit gebrochenen Knochen unten – oder als Toter.
Aber ich hielt fest, drehte den Kopf und erkannte hinter einem der Fenster die Gestalt meiner Partnerin Jane Collins. Wenn mich nicht alles täuschte, winkte sie mir sogar zu.
Dann waren wir vorbei…
Weiter ging die Reise. Noch immer kreiste der Hubschrauber über dem Innenhof. Er hatte jetzt etwas an Höhe verloren.
Dann klappte der Einstieg auf, als wäre er von Geisterhänden bewegt worden. Jemand schaufelte die Luke zur Seite, sie fiel auch nicht mehr zu, denn die Maschine stand.
Was sollte das wieder bedeuten?
Ich bekam einen Moment später die Lösung, denn im offenen Einstieg erschien eine Frau.
Sie also war die Pilotin gewesen – kein Mann. Sie beugte sich so weit vor, daß sie mir ins Gesicht sehen konnte. Rabenschwarzes Haar umspielte ihre bleiche Haut. Die Augen lagen in den Höhlen wie runde Kohlestücke. Sie lächelte mir zu und streckte mir ihre Hand entgegen, eine Geste, die ich auch begriff.
Sie wollte mich in den Hubschrauber holen!
Was konnte mir Schlimmeres passieren, als mit fast tauben Händen an der Kufe zu hängen?
Ich mußte die Einladung annehmen und zu ihr in die Kanzel klettern.
Erst beim zweiten Sprung packte ich es und bekam mit der Kufe den nötigen Kontakt. Als ich mich aufrichtete, dabei nur den schmalen Untergrund spürte, kippte ich nach vorn.
Natürlich wäre ich in die Tiefe gefallen, aber ich streckte die Arme aus und umklammerte den Rand der Maschine dicht unter dem Ausstieg, aus dem auch die Hexe schaute.
Sie griff zu.
Meine Hände waren so taub geworden, daß ich es erst merkte, als sie mich schon in die Höhe zerrte. Scheinbar mühelos gelang es ihr, mich in die Kabine zu befördern und auf den Sitz des Copiloten zu schieben, der nicht besetzt war.
Dort hing ich wie ein Häufchen Elend, hatte mich zusammengerollt und
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