0613 - Geißel der Menschheit
und stürzte nach unten. Die sechs Kabelverbindungen waren fein säuberlich durchtrennt.
Schmickrath richtete sich auf.
„So", strahlte er und klatschte in die Hände, um imaginären Staub von den Handflächen zu entfernen, „das hätten wir geschafft. Jetzt noch siebenmal dasselbe, und..."
Er horchte auf. Aus den Tiefen des Gesteins drang ein merkwürdiger Laut. Es war ein dumpfes, schmerzerfülltes Stöhnen. Das Geräusch schwoll an, bis es so laut wurde, daß der Boden zu zittern begann. Es war der Aufschrei einer gepeinigten Kreatur, die zornige Reaktion der zuckenden, grauen Plasmamassen, die in riesigen Tanks voller Nährflüssigkeit schwammen und den organischen Bestandteil des Riesenrechners ausmachten.
„Nichts wie fort!" schrie Schmickrath über den Lärm hinweg.
*
Turass-Neo war eine schöne, erdgleiche Welt. In leuchtendem Blau, vom glänzenden Weiß einiger Wolkenfelder betupft, bot sie sich dem Blick des Weltraumreisenden, der sich ihr von der Sonnenseite her näherte. Atlan jedoch hatte in diesen Tagen kein Auge für Schönheit. Es war eine Mission der Not und der Verzweiflung, die ihn hier herbrachte. Auf der letzten USO-Station vor dem Sternhaufen M-13 hatte er dem Kommandanten ein schnelles Kurierschiff entführt, das ihn im Verlauf von einundzwanzig Stunden hier hergebracht hatte. An Bord des Schiffes, der PONY EXPRESS, befanden sich außer ihm und seinen beiden Begleitern eine achtköpfige Besatzung, die er sich selbst zusammengestellt hatte, alles erfahrene USO-Offiziere, die sämtlich an den Symptomen des zweiten Stadiums der PAD-Seuche litten, mit Hilfe von Patholysin und viel Freizeitbeschäftigung sich jedoch über Wasser hielten.
Die PONY EXPRESS war zwanzig Lichtminuten vor Turass-Neo aus dem Linearraum aufgetaucht - eine Meisterleistung der Kosmonautik, wenn man die Länge des vorangegangenen Linearfluges in Betracht zog. Es war nicht gelungen, Hyperfunkkontakt mit dem Planeten aufzunehmen. Inzwischen hatte die PONY EXPRESS eine Parkbahn in Synchronhöhe bezogen und stand unmittelbar über Turak, der Hauptstadt der neuarkonidischen Welt. Atlan ersuchte über Radiofunk um Landeerlaubnis. Die Übertragung war bildbegleitet. Man schien dort unten auf seinen Anruf gewartet zu haben; denn die Antwort kam postwendend. Ein junger Mann erschien auf dem Bildschirm.
Er trug keine Uniform, schien jedoch mit der Raumhafenkontrolle zu tun zu haben.
„Haben Sie Seuchenträger an Bord?" erkundigte er sich.
Atlan fragte sich, ob man ihn wirklich nicht erkannt habe.
„Wir sind insgesamt elf Mann", antwortete er unfreundlich, „neun von ihnen sind krank. Wollen Sie uns deswegen die Landeerlaubnis verweigern?"
„Ich bin leider gezwungen..."
„Rufen Sie Thring Malok!" unterbrach der Arkonide ihn wütend.
„Ich bin nicht vierunddreißigtausend Lichtjahre weit gekommen, um mich von einem eingebildeten Subalternen abspeisen zu lassen!"
Der Hieb saß. Der junge Mann schluckte hart.
„Verzeihung, Sie haben mich nicht ausreden lassen", sagte er.
„Ich bin leider gezwungen, solche Fragen zu stellen. Aber selbstverständlich wird Ihrer Landung nichts in den Weg gestellt.
Bitte akzeptieren Sie den Leitstrahl und folgen Sie ihm nach Planquadrat Arkon-Arkon-eins."
Atlan stutzte. AA-1 war das größte Landefeld und gleichzeitig das, das dem Empfangsgebäude am nächsten lag. Es wurde nur bei wichtigen Anlässen verwendet, wie zum Beispiel bei Staatsempfängen.
„Sie kennen mich also?" fragte er den jungen Mann.
„Jedermann", lächelte der Neuarkonide, „kennt Atlan, den Erhabenen."
„Das hätten Sie früher merken lassen sollen", murmelte Atlan ein wenig betreten, „dann hätte ich Sie nicht so angeschrieen."
Die PONY EXPRESS landete eine halbe Stunde später. Diese Zeitspanne hatte den Neuarkoniden genügt, ein Empfangskomitee zusammenzutrommeln, das vom Präsidenten des Regierenden Rates, Thring Malok, angeführt wurde. Malok war ein hochgewachsener, kräftig gebauter junger Mann, ein Bild der Jugend, der Tatkraft und des Unternehmungsgeistes. Es erfüllte Atlan, den Alten, mit Begeisterung, in diesem Mann die Ideale seiner Vorfahren verkörpert, das Joch der jahrtausendelangen Dekadenz abgeworfen- zu sehen.
Gleichzeitig aber wußte er, daß Thring Malok ein machtbewußter, starrköpfiger junger Mann war, mit dem zu verhandeln äußerst schwierig sein würde.
Davon war allerdings bei der Begrüßungszeremonie nichts zu merken. Man sagte einander Schmeicheleien. Die
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