0616 - Der König des Schreckens
Bild.« Er streckte mir den Zeigefinger entgegen. »Aber das habe ich bereits Ihrem Chef gesagt, Mr. Sinclair. Sie müßten es wissen.«
»Ich wollte es noch einmal von Ihnen hören. Was ist das für ein Bild, Mr. Drake?«
»Es hängt in meiner Wohnung.«
»Okay, daß Sie es nicht im Keller aufgehängt haben, kann ich mir denken.« Es sollte eine scherzhafte Bemerkung sein, die er allerdings überging und sich nicht einmal ein müdes Lächeln abquälte.
»Nehmen Sie mich überhaupt ernst?«
»Ja – schon.«
»Dann reden Sie doch nicht so einen Stuß. Man will mir tatsächlich ans Leben.«
»Wir sprachen von einem Bild, Mr. Drake.«
»Darum drehte es sich ja. Es ist gewissermaßen der Aufhänger für diese Drohung.«
»Genauer.«
»Man will mich töten«, sagte er flüsternd, »weil ich das Bild erworben habe. Das ist alles.«
Ich nickte, nahm einen Schluck Wasser und nickte wieder. »Ist das Bild denn so wertvoll?«
»Ja und nein. Ich habe es für über hundert Pfund ersteigert. Das ist kein kleiner Preis.«
»Stimmt, wenn man bedenkt, was der röhrende Hirsch im Kaufhaus kostet. Für einen echten Picasso allerdings müßten Sie mehr auf den Tisch legen.«
»Ist mir klar, Mr. Sinclair. Jedenfalls will man mich umbringen, weil ich das Bild besitze.«
»Und man hat Sie angerufen?«
»So ist es.«
»War es eine Frau oder ein Mann?«
Jetzt lachte er. Es klang unsicher. »Wenn ich das mal wüßte, Mr. Sinclair.«
»Hören Sie, jeder Mensch erkennt, ob er von einem Mann oder einer Frau angerufen wird.«
»Vielleicht Sie, aber nicht ich. Die Person muß ihre Stimme verstellt haben. Sie klang neutral, verstehen Sie das? Einfach neutral. Da konnte eine Frau ebenso gesprochen haben wie ein Mann oder meinetwegen auch ein Kind. Ich habe jedenfalls keinen Hinweis auf die Identität des Anrufers bekommen.«
»Das ist nicht gut.«
»Weiß ich selbst.«
»Kommen wir noch mal auf das Bild zurück. Können Sie sagen, wer es gemalt hat?«
»Es ist ein Original. Der Künstler heißt Lorenzo.«
»Ist es schlimm, wenn ich ihn nicht kenne?«
»Er ist auch nur wenigen bekannt, wenigen Fans. Aber die lieben ihn. Sie zahlen Höchstpreise.«
»Wie Sie.«
»Genau.«
»Wo lebt der Maler? Sein Name hört sich italienisch oder spanisch an.«
»Er ist auch Romane«, erklärte Lional Drake. »Aber das ist für mich nicht wichtig. Ich denke immer an den Anruf, der mir einen Mord versprochen hat, weil ich mich in Besitz des Bildes befinde.«
Mich ließ der Maler nicht los. »Haben Sie mal versucht, sich mit Lorenzo in Verbindung zu setzen?«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Hätte ich aber getan.«
Er schielte mich von der Seite her an. »Sagen Sie mal, nehmen Sie mich eigentlich ernst?«
»Schon…« ich lächelte. »Nur muß ich gestehen, daß Sie es mir nicht einfach machen.«
Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und ließ die Gläser tanzen. »Ich habe Ihnen doch berichtet, daß man mich umbringen will. Aber nicht der Anrufer.«
»Wer dann?«
»Das Bild, Mr. Sinclair!« zischte er mir entgegen. »Das Bild soll mich umbringen.«
Das war mir neu. Und ich begriff es auch nicht sofort und mußte erst darüber nachdenken. Es war auch für einen Mann wie mich unwahrscheinlich, daß ein Bild zu einem Mörder werden konnte. Aber nicht unmöglich, denn mit Gemälden hatte ich meine Erfahrungen.
»Jetzt sind Sie gebügelt, wie?«
»Nicht ganz. Ich denke nur über Ihre Erklärungen nach und frage mich, wie es möglich sein kann, daß ein Bild zu einem Mörder wird. Das müssen Sie verstehen.«
»Ist mir klar, Mr. Sinclair, ist mir völlig klar. Aber ich weiß es eben auch nicht.«
»Nun, dann überlegen wir mal weiter. Welches Motiv zeigt ihr Bild denn? Ist es abstrakt gemalt, oder kann man darauf etwas erkennen?«
»Das werden Sie bestimmt. Nur ist das Motiv nicht jedermanns Sache. Der Maler Lorenzo gehörte zu den Menschen, die seine wilden Phantasien und Träume auf die Leinwand brachten. Daß die nicht immer sanft, seifig und schön waren, können Sie sich denken.«
»Es kommt auf die Träume an. Was hat er denn gemalt?«
Drake senkte den Kopf. »Sehr düstere Motive. Schreckliche Phantasien, Monster, Dämonen. Er sprach stets von der Apokalypse, vom Untergang und von der Zerstörung. Ich denke zwar nicht genauso, aber ich liebte die Bilder des Malers.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Ich stehe nur unter dem Druck und der ungemein starken Furcht.«
»Okay, Mr. Drake, dann ist es wohl am besten,
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