0617 - Das Blut der Mumie
Schreien verstummt. Die Riesenkatze riß die Frau aus dem Sessel, drehte sich noch einmal auf der Stelle und schlug mit dem Schwanz um sich.
Auch er war auf das Dreifache angewachsen. In ihm steckte eine mächtige Kraft, die ich zu spüren bekam.
Der Treffer riß mich fast um. Bis gegen die Wand taumelte ich, sah, daß Suko das Monstrum angreifen wollte und von einem Prankenhieb zu Boden geschleudert wurde.
Dann floh sie.
Ein gewaltiger Satz brachte sie durch das zerstörte Fenster hinaus in den Garten. Ihre Beute hielt sie nach wie vor im Maul. Wie ein Monster brach sie durch den Vorgarten und räumte alles aus dem Weg, was sie hinderte.
Ich hörte das Brechen des Geästs. Der weiche Boden vibrierte, dann war sie nur noch ein kompakter, zerfließender Schatten in der grauen Dämmerung.
Ich würde sie verfolgen, war aber vorsichtig, da ich noch mit zahlreichen anderen Helfern rechnete.
Am Fenster blieb ich für einen Moment stehen. Mein Blick glitt durch den Garten.
Ich sah weder etwas von der Riesenkatze, noch von den normalen Tieren. Sie hatten blitzschnell die Flucht ergriffen oder sich gut verstecken können.
Hinter mir hörte ich Suko schimpfen. Er war wieder auf die Beine gekommen. Sein Gesicht zeigte einen wütenden Ausdruck. »Verdammt, John, damit habe ich nicht rechnen können.«
»Ich auch nicht.«
Das Glas zerknirschte unter Sukos Sohlen, als er mir entgegenschritt und den Kopf schüttelte. »Man ist nie sicher vor Überraschungen.« Sein folgendes Lachen klang unecht. »Allerdings frage ich mich, wo dieses Riesentier sich verstecken will.«
»Überhaupt nicht.«
»Wieso?«
»Wer groß werden kann, der schafft es auch, sich wieder zu verkleinern.«
»Da hast du recht.«
Unsere kleine Pause hatte nur Sekunden gedauert. Durch die zerstörte Scheibe gingen wir hinaus in den Garten. Ich berichtete Suko vom Angriff der normalen Katzen.
»Dann stehen sie alle unter dem Bann.«
»Richtig, Alter. Rechne damit, daß dich ein Tierchen anspringen wird.«
»Danke, darauf kann ich verzichten.«
Wir standen noch immer mitten im Garten. Er lag in einer trügerischen Ruhe. Auch den Weg der Riesenkatze konnten wir akustisch nicht mehr verfolgen. Das Gelände bot selbst einem Monster wie der mutierten Katze Deckung.
»Nach einer Riesenkatze zu fahnden, ist mal etwas völlig Neues«, meinte Suko, als er sich umschaute. »Sollen wir die Kollegen überhaupt alarmieren?«
»Nein.«
»Dann willst du allein…?«
»Richtig, Suko. Es bleibt uns nichts anderes übrig. Wir müssen die Verfolgung zu zweit aufnehmen. Nur die Katze kann uns zu der Mumie hinführen.«
»Und zu Ibrahim Sale.«
»Sehr richtig.«
Wir hatten uns im Garten noch weiter umgesehen, bevor wir den Weg zur Vorderseite einschlugen. Dort konnte Suko den Erfolg meiner Arbeit sehen.
Vor der Haustür lagen die toten Katzen auf dem Weg. Die meisten inmitten einer dicken Blutlache.
»Fünf Katzen«, sagte Suko nickend. »Da hast du einiges geschafft, mein Lieber.«
»Das mußte sein.«
An unserem Fahrzeug hatte sich niemand zu schaffen gemacht. Es hob sich vom Boden wie eine dunkle Insel ab. Nur die Scheiben glänzten wie matte Spiegel.
Nach Spuren suchten wir auch hier vergeblich. Uns blieb nichts anderes übrig, als in den Wagen zu steigen und zunächst einmal langsam durch das Gebiet zu fahren. Es war gut vorstellbar, daß sich die Katze noch in der Nähe aufhielt. Hoffentlich zusammen mit der geheimnisvollen Mumie und dem Euro-Ägypter Ibrahim Sale.
Ich hatte mich hinter das Lenkrad gesetzt und ließ den Wagen langsam anrollen.
Das Haus der Ann Tobey lag als letztes innerhalb einer Sackgasse.
Bevor wir zu den Neubauten kamen, mußten wir noch ein dicht bewachsenes Gelände rechts und links passieren.
Die blassen Scheinwerferlichter erhellten die graue Finsternis. Jenseits des Buschwerks schimmerten hinter den Fenstern der anderen Häuschen Lichter.
Dunkel allerdings war der Wagen, der quer auf der Straße stand und eine normale Weiterfahrt unmöglich machte.
Es war kein kleines Auto, sondern ein Lieferwagen mit ziemlich großer Ladefläche.
Ich hielt an.
Neben mir atmete Suko schnaufend. »Weißt du, John, woran ich denke?« fragte er.
»Nein.«
»Daß selbst eine Riesenkatze auf die Ladefläche paßt. Oder liege ich da sehr daneben?«
»Das glaube ich nicht.«
»Wunderbar, dann können wir ja nachschauen.« Er öffnete die Tür und stieg aus.
Ich blieb noch hocken. Einfach deshalb, weil mir die Umgebung nicht geheuer
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