0617 - Zeit der Ungeheuer
Film. So erlebte er die Geschehnisse jetzt noch einmal in umgekehrter Reihenfolge, diesmal aber wie ein außenstehender Betrachter.
Und dann kam der Moment des Auftauchens.
In diesem Fall stellte er sich wie ein Verschwinden dar. Zuerst war Nicole fort, blitzschnell, von einem Sekundenbruchteil zum anderen und wie ausgeknipst. Zamorra stoppte den Rückwärtslauf der Zeit und tastete sich wieder an den Moment heran. So, wie der Zeitlauf beschleunigt werden konnte, um größere Zeitspannen schneller zu überbrücken, so konnte er auch verlangsamt werden. Und selbst in extremer Langsamkeit war nicht genau festzustellen, wie Nicole verschwand beziehungsweise aufgetaucht war.
Es gab keinen Übergang, keine Schnittstelle zwischen zwei Welten oder Zeiten. Es gab kein Tor. Es gab einfach nichts.
Im einen Sekundenbruchteil war Nicole fort, im nächsten hier.
Zamorra gab auf und tastete sich, jetzt ziemlich langsam, weiter zurück. Vielleicht konnte er ja bei seinem eigenen Übergang mehr erkennen.
Aber das Amulett schaltete sich einfach ab…
***
Zamorra unterrichtete Nicole, die über die rätselhafte Safe-Öffnung und das Verschwinden des Schwertes nicht weniger bestürzt war als er selbst. »Ich schaue mal drüben nach dem Rechten«, sagte er.
Nicole wollte ihm folgen, aber Zamorra stoppte sie. »Ist vielleicht besser, wenn du hier bleibst«, schlug er vor. »Für den Fall der Fälle.«
Sie runzelte die Stirn, nickte dann aber. »Ruf an, wenn du zu irgendwelchen Resultaten kommst.«
»Natürlich.« Er grinste. »In Zweifelsfällen hat unser Drache den Safe geknackt.« Aber daran glaubte er selbst nicht.
Er verließ den Bungalow, um zu den Regenbogenblumen hinüberzugehen. Die wuchsen hier draußen; im Château Montagne gab es sie in einem unterirdischen Felsendom. Diese seltsamen Blumen mit den mannsgroßen Kelchen, die je nach Perspektive des Betrachters in allen Farben des Regenbogenspektrums schimmerten, waren nichts anderes als ein schnelles und preiswertes Beförderungsmittel. Sie blühten ständig, das ganze Jahr hindurch, und wer zwischen sie trat mit einer konkreten Zielvorstellung, fand sich zwischen anderen Regenbogenblumen in der Nähe dieses Ziels wieder. Ohne jeden Zeitverlust, einfach nur so.
Natürlich mußten die Blumen in unmittelbarer Nähe des jeweiligen Ziels wachsen. Außerdem mußte die Konzentration auf das Ziel genügend intensiv sein.
Zamorra stellte sich Château Montagne vor.
Und nichts geschah.
Er blieb in Florida, zwischen den Blumen von Tendyke's Home.
Verblüfft trat er zurück und sah sich um. Das hatte es noch nie gegeben, daß die Blumen einen so gezielten Transport verweigerten! Er probierte es erneut aus, konzentrierte sich auf sein Loire-Schloß und -blieb, wo er war.
Er änderte seine Vorstellung, richtete sie nicht mehr auf das Château aus, sondern auf die Menschen, die sich darin befanden. Aber auch jetzt klappte es nicht. Ein weiterer Versuch, das Beaminster-Cottage in Südengland zu erreichen, schlug ebenso fehl.
»Gibt's doch nicht«, murmelte er kopfschüttelnd. Es gab praktisch nur eine Möglichkeit für das Nichtfunktionieren: Die Blumen in den Kellergewölben des Châteaus existierten nicht mehr!
Aber wer sollte sie zerstört haben?
Und gleichzeitig auch die im Cottage?
»Fragen wir doch einfach mal nach«, brummte er und kehrte in den Bungalow zurück. Dort waren inzwischen auch Tendyke und Uschi wieder in der ›Öffentlichkeit‹ aufgetaucht. »Vielleicht hat George unseren Blumen den falschen Dünger verabreicht«, überlegte der Abenteurer.
»Jetzt versuche ich das mal«, erklärte Nicole.
»Genau«, stimmte Monica zu. »Blumen und Frauen passen ohnehin viel besser zusammen.« Die beiden verschwanden nach draußen. Zamorra informierte Tendyke über das eigenartige Geschehen.
»Völlig unmöglich«, behauptete der Abenteurer.
Wenig später kehrten Monica und Nicole zurück. »Es funktioniert auch bei mir nicht. Ich komme einfach nicht weg, egal, wohin ich mich wünsche.«
»Hm«, machte Zamorra. Mit Tendykes Erlaubnis benutzte er in dessen Arbeitszimmer noch einmal das Visofon und rief im Château an. Raffael Bois meldete sich fast sofort.
»William ist aus dem Cottage noch nicht zurück, Monsieur«, erklärte der alte Diener.
»Er ist also tatsächlich dort angekommen?«
»Ich gehe davon aus. Stimmt denn etwas nicht, Monsieur?«
»Ich komme nicht durch«, sagte Zamorra, »und Nicole auch nicht. Die Regenbogenblumen verweigern uns den
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