0618 - Der Mondschein-Mörder
der Tatsache. Nicht jede hätte sich vom Bett aufraffen und sich hinstellen können. Sie aber brachte es fertig, mußte zwar das Gefühl des Schwindels unterdrücken, aber sie blieb auf den Beinen und ging die ersten behutsamen Schritte.
Ja, sie schaffte es.
Die Wunden brachen durch die Bewegungen jedoch wieder auf.
Es störte sie nicht, daß Blut über ihre helle Haut rann. An der offenen Badezimmertür blieb sie angelehnt stehen, schaute in den Raum, ohne allerdings den Mondschein-Mörder entdecken zu können. Spuren hatte nur sie hinterlassen. Das Blut auf dem Boden und das etwas gefärbte Wasser in der ovalen Badewanne.
Kein Spiegel war zerbrochen. Sie alle sahen völlig normal aus, nicht einmal Dunstflecken klebten auf den glatten Flächen. Als sie ihren nackten Körper betrachtete, überfiel sie doch der heiße Schreck. Sie sah furchtbar aus. Das Blut hatte die Frau gezeichnet.
Imelda kam sich vor wie ein Monstrum.
Noch einmal stieg sie nicht in die Wanne. Aus einem schmalen Schrank holte sie Pflaster und Verbandszeug, bevor sie mit heißem Wasser das Blut abwusch und abtupfte.
Einige Male zuckte sie zusammen, doch Imelda gehörte zu den starken Frauen, die auch etwas vertragen konnten.
Den Bademantel streifte sie schließlich über, als sie mit müden Schritten zurück in den Schlafraum ging, wo das Telefon stand. Es war klar, daß sie etwas unternehmen mußte. Allein kam sie gegen den Schattenmörder nicht an.
Aber wen sollte sie um Hilfe bitten?
Das nächste Polizeirevier anrufen und dem Beamten berichten, was ihr widerfahren war?
Nein, der hätte sie für überdreht gehalten und zudem noch ausgelacht.
Da mußte es einfach andere Möglichkeiten geben.
So schnell gab Imelda Miller nicht auf. Ihr war bekannt, daß es etwas geben mußte, und sie überlegte sehr genau. Plötzlich kam ihr die Idee. Ein knappes Lächeln umzuckte ihren Mund. Sie kannte einen Mann namens Sir James Powell. Er würde bestimmt wissen, was sie zu tun hatte. Eine gewisse Idee war ihr schon gekommen.
Sie mußte Sir James nur davon überzeugen, daß er ihr half, sie zu unterstützen…
***
Wieder in London!
Als ich mein Büro zusammen mit Suko betrat, bekam ich gleich die zweite Bemerkung zu hören.
»Oh – hast du dich im Nacken geschnitten?« fragte Glenda Perkins und lächelte mich an.
»Warum?«
»Das Pflaster, John.«
»Nein, ich habe mich nicht geschnitten. Die kleinen Wunden stammen von den Fingernägeln einer scharfen Frau.«
»Blond oder schwarz?«
»Glatzköpfig.«
Glenda nickte. »Die sollen ja besonders eifrig sein, habe ich mir sagen lassen.«
»Und ob.«
Während meiner Abwesenheit war kaum etwas passiert, wie Suko mir sagte. Er jedenfalls hatte Kram aufarbeiten können und meinen direkt mitgemacht.
»Du bist ein wahrer Freund«, erklärte ich ihm.
»Und ob.«
Er wußte über mein Abenteuer Bescheid, Glenda noch nicht, aber an sie hatte ich eine Frage, als sie mit einer Tasse Kaffee und einer mit Tee unser Büro betrat.
»Was sagt dir der Begriff Mondschein-Mörder?«
Sie strich über ihren senffarbenen Cordrock und runzelte die Stirn.
»Sollte er mir etwas sagen?«
»Ich bitte darum.«
»Das ist ein Bestseller, ein Buch.«
Ich schaute Suko an. »Stimmt das?«
»Frag mich nicht.«
»Du kannst es mir glauben, John. Das Buch ist in den letzten Wochen zu einem Bestseller geworden, raketenartig. Das war in vielen Gazetten zu lesen.«
»Vielleicht lese ich zu wenig Zeitungen. Hast du es denn gelesen, Glenda?«
»Nein, nur davon gehört.«
»Auch einiges über den Inhalt?«
Sie hob die Schultern. »Ein wenig. In der U-Bahn sprechen die Fahrgäste hin und wieder über das Buch.« Während ich Kaffee trank, erzählte sie mir, was sie wußte.
»Der Mondschein-Mörder ist ein geheimnisvoller Schattenkiller, der aus einer anderen Welt kommt.«
»Hat diese Welt einen Namen?«
»Keine Ahnung.«
»Vielleicht Aibon?«
Glenda staunte mich an. »Verflixt, John, wie kommst du denn darauf?«
»Nur so.«
»Da ist doch etwas dahinter.«
»Kann sein. Ich war in Irland, traf dort auf den roten Ryan, der mir wiederum einiges über den Schattenkiller oder Mondschein-Mörder erzählte. Daß er aus Aibon in unsere Welt gekommen sei und…«
Glendas Lachen unterbrach mich. Es klang allerdings nicht freudig, eher kratzig. »Das ist nicht möglich. Der Mondschein-Mörder ist nur ein Buch, keine Realität.«
»Das will er wohl werden.«
»Du glaubst dem roten Ryan?«
Ich schaute sie über den Rand der
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