0619 - Das Para-Mädchen
bis zur Decke; von außen war es allerdings nicht in dieser Form zu erkennen, weil es durch eine halb durchlässige Beschichtung aussah wie Mauerwerk und ein Fenster in der für die Fassade üblichen Größe. Der Schreibtisch war hufeisenförmig geschwungen und verfügte über drei Arbeitsplätze, über die die drei parallel geschalteten MMX-Rechner getrennt oder gemeinsam genutzt werden konnten. Zamorra wagte kaum daran zu denken, daß diese Technik, erst vor etwa einem halben Jahr auf den neuesten Stand hochgerüstet, jetzt bereits wieder veraltet war. Aber bei dem Tempo, in dem die Computerindustrie ihre Neuentwicklungen und Verbesserungen vorstellte, konnte man nicht ständig nachrüsten. Vor allem nicht in der hier vorhandenen Größenordnung -das käme verdammt teuer…
Immerhin, so, wie die Computer mit ihren je 512 Megabyte großen Arbeitsspeichern zusammengeschaltet waren, erreichten sie schon eine Geschwindigkeit, die Olaf Hawk, der die Anlage so installiert hatte, lässig als ›ausreichend‹ bezeichnet hatte.
Zamorra schaltete einen der Monitore ein und holte sich den Screenshot aus dem Visofon-Anschluß des Kaminzimmers auf den Schirm, um ihn als Bild-Datei zu speichern. Danach kopierte er die Datei ins DFÜ- und ins Faxprogramm, wählte nacheinander die Polizeipräfektur in Lyon an und überspielte das Bild, um es anschließend noch einmal zu faxen. Danach rief er Chefinspektor Pierre Robin an.
»Rate mal, was gerade passiert ist«, begrüßte ihn der immer ein wenig zerknittert aussehende Chefinspektor. »Irgendein total wahnsinniger Oberverrückter hat uns ein Foto gefaxt und mit einer speicherfressenden Datenübertragung zehn Minuten lang unseren Internetanschluß blockiert. Fällt dir dazu was ein, Zamorra? Ich habe nämlich das Gefühl, daß dieser Irre mir einen Haufen unseliger Arbeit aufhalsen möchte.«
Zamorra seufzte. »Deinem kriminalistischen Scharfsinn dürfte nicht entgangen sein, daß Datei und Fax von mir stammen.«
»Oh«, tat Robin betroffen. »Das tut mir jetzt aber leid, daß ich dich einen Verrückten genannt habe. Das beleidigt ja alle geistig verwirrten Menschen in diesem Land, und nun muß ich mich bei allen dafür entschuldigen, sie mit dir verglichen zu haben…«
»Mach nur so weiter«, grinste Zamorra. »Eines Tages mische ich dir ein paar Roßhaare in deinen Pfeifentabak…«
»Bringst du Belästigung auf Beinen glatt fertig… Na schön, was sollen wir jetzt mit dem Bildchen? Ist ja ein süßes Mädel. Weißt du schon, wer es ermordet hat, wann und wo?«
»Es lebt noch und befindet sich hier im Château.«
»Vielen Dank für Ihren Anruf, Monsieur. Es freut uns, daß Sie an uns gedacht haben. Kommen Sie bei anderer Gelegenheit gern wieder auf uns zurück. Mann, Zamorra, hast du vergessen, daß wir hier die Mordkommission sind? Wir sind für die Toten zuständig, nicht für die Lebenden.«
Zamorra zuckte zusammen.
Ein seltsames Gefühl durchzog ihn in diesem Moment; er hatte den Eindruck, als wären Robins Worte wie eine Prophezeiung…
Da war es schon wieder vorbei.
Nur Nicole war das kurze Zusammenzucken aufgefallen.
»Ich weiß das, Pierre«, brummte Zamorra. »Aber du kannst doch deine lieben Kollegen bitten, mal Nachforschungen anzustellen.«
»Meine lieben Kollegen werden sich genauso bedanken und anschließend noch viel liebere Kollegen sein. Was willst du wissen, Zamorra?«
»Ob diese Frau irgendwo gemeldet oder registriert ist.« Mit wenigen Worten erzählte er, was vorgefallen war, einschließlich der magischen Effekte. Jeder andere hätte ihn deshalb vielleicht ausgelacht, aber Robin wußte nur zu gut, daß es Magie gab. Er hatte sie oft genug am eigenen Leib erfahren müssen.
»Rechne Ende des Jahres mit einem Fahndungsergebnis«, brummte Robin sarkastisch. »Das Foto ist zwar ganz hübsch, aber weißt du, wie groß die Anzahl der jungen Frauen mit blondem Haar und dieses ungefähren Alters ist? Wir können das Foto nur an andere Dienststellen weiterfaxen, eventuell einen Farbausdruck der Datei weitergeben. Effektiver wäre eine Einblendung in den großen TV-Sendern oder eine Anzeigenkampagne in allen großen Illustrierten. Aber das kostet Geld. Wie viele Millionen Francs möchtest du investieren?«
»Nicht einen einzigen Sou. Deshalb habe ich mich ja an den zuverlässigsten Staatsdiener gewandt, den ich kenne. Der wird das schon irgendwie hinkriegen.«
»Nicht anders als auf die genannte Weise. Kann dauern, Zamorra.«
»Du weißt, daß ich
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