062 - Das Moerderspiel
nickten.
„Ich bitte um etwas Geduld“, sagte Tauern. „Professor Berger und Mademoiselle Sourbier sind gerade erst angekommen, wir wollen ihnen Zeit geben, sich ein wenig häuslich einzurichten. Aber Sie können versichert sein, meine Errungenschaft ist tatsächlich eindrucksvoll.“ Er sah Berger nachdenklich an. „Mein Freund, Sie haben mich in Paris gekannt, nicht wahr? Sie werden sich vielleicht erinnern, daß ich sehr lebenslustig war und die Pariser Zeit in vollen Zügen genoß? Daß ich mir die Nächte um die Ohren schlug und kein Kostverächter war?“
Berger nickte.
„Trotzdem“, setzte Tauern fort. „habe ich mich hier eingegraben, ich, der ich Paris und das Leben liebte, und habe in der Einsamkeit nur an meinem Projekt gearbeitet …“
„Wie?“ unterbrach ihn Berger. „Wollen Sie damit sagen, daß Sie sich seit zwanzig Jahren auf diesem Berg hier mit ein- und derselben Aufgabe befassen?“
Tauern nickte langsam. „Ich hatte nur eine Angst: daß ich sterben könnte, bevor mein Kind erwachsen ist. Aber nun ist das Ziel erreicht. Sie kennen mich alle, und mein Wort muß Ihnen genügen. Nun, da Sie wissen, daß meine Entdeckung die Frucht einer langjährigen, harten Arbeit ist, werden Sie gewiß die Geduld aufbringen, noch eine oder zwei Stunden zu warten.“
Er hob die Stimme. „Martha! Kommen Sie herunter!“
Die alte Frau trat oben auf die Balustrade, die rundum lief, und kam langsam die Treppe herab.
„Führen Sie den Professor und Mademoiselle in ihre Zimmer“, sagte Tauern. „Dann bereiten Sie den Tee.“
Berger erhob sich, und Elisabeth trat zu ihm. „Auf bald, meine Herren.“
Von der Balustrade überblickte man das ganze Wohnzimmer, und Berger warf einen Blick hinab. Die fünf Männer hatten eine lebhafte Unterhaltung mit gedämpften Stimmen begonnen. Berger spürte ein leichtes Unbehagen. Er kannte keinen der anwesenden Männer, und selbst wenn er sein Gedächtnis anstrengte, konnte er sich nicht erinnern, je den Namen eines der Männer, die doch die führenden Köpfe auf ihrem Gebiet sein sollten, gehört zu haben. Professor Tauern hatte es nicht einmal für nötig befunden, ihre Spezialgebiete zu nennen, und so konnte Berger nur annehmen, daß es allesamt Neurologen waren, wie er selbst.
Martha zeigte ihnen die Zimmer, und Berger bemerkte, daß Elisabeths Zimmer unten am Ende des Korridors lag.
Innen war das Gebäude größer, als man von draußen angenommen hätte. Es war offenbar früher ein Hotel oder etwas Ähnliches gewesen, denn es hatte mehr als zwölf Zimmer im ersten Stock, zwei oder drei Badezimmer und ebenso viele WCs. Und unten im Erdgeschoß waren außer dem riesigen Wohnzimmer gewiß noch andere Räume.
Berger warf einen Blick durch das schmale Fenster seines gut möblierten Zimmers. Es war noch nicht siebzehn Uhr, und schon lag Dunkel über den Bergen.
Berger zündete eine Zigarette an und öffnete seinen Koffer.
Professor Berger und seine Sekretärin trafen einander im Korridor. Elisabeth sah bedrückt aus, aber Berger bemerkte ihre Blässe in dem Halbdunkel nicht.
„Ein hübsches Kleid“, meinte er zerstreut und nur, um ihr etwas Nettes zu sagen. „Sind Sie gut untergebracht?“
„So gut wie möglich“, sagte sie ausdruckslos.
Berger nahm ihren Arm. „Was halten Sie von meinen Kollegen und von Professor Tauern?“
„Der Professor ist weniger Phantast, als ich dachte. Auch die anderen Herren finde ich recht sympathisch.“ Sie sah Berger von der Seite an. „Weshalb diese Frage?“
Berger zögerte. „Ich habe noch nie ein Wort von ihnen gehört, das ist alles. Wenn man die Bedeutung von Tauerns Entdeckung in Betracht zieht, so hätte ich doch erwartet, hier Professor Straß aus Hamburg, Barkley aus London und Kraus aus Wien vorzufinden. Aber vielleicht hat Tauern es vorgezogen, nur die Leute einzuladen, mit denen er ehemals zusammengearbeitet hat.“ Er grinste. „Drollig, dieser Montanelli, nicht wahr?“
Elisabeth lächelte. Indro Montanelli war mittelgroß, fett, sehr behaart, unendlich charmant und sah so aus, wie man sich einen Tenor der Scala vorstellt. Er war das genaue Gegenstück zu Alexander Piwnjew, einem blonden Riesen mit hellblauen Augen, der etwas hinkte.
John Cramer aus Philadelphia hatte rotes Haar und ein rotes Gesicht, er war etwa fünfundvierzig. Gustav Jensen aus Kopenhagen hatte braunes Haar und war erst etwa dreißig Jahre alt.
Ino Mitsubishi war ein würdiger, typischer Vertreter seines Volkes: klein,
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