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062 - John Flack

062 - John Flack

Titel: 062 - John Flack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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an.
    »Gehen Sie auch wieder zu Bett?«
    »In ein paar Sekunden«, antwortete Mr. Reeder munter.
    Sie hielt ihm die Hand mit impulsiver Gebärde hin, und er ergriff sie mit beiden Händen.
    »So wie Sie stelle ich mir einen Schutzengel vor«, lächelte sie mit Tränen im Auge.
    »Von Schutzengeln mit Backenbärten«, sagte Mr. Reeder, »habe ich in meinem ganzen Leben noch nichts gehört.«

11
    Mr. Reeder schloß die Tür, schaltete das Licht ein und machte sich daran, das unerklärliche Rätsel zu lösen, wie es möglich gewesen war, die Tür zu öffnen. Bevor er zu Bett gegangen war, hatte er den Riegel vorgeschoben und das Schloß, in dem der Schlüssel noch steckte, abgeschlossen. Es fiel ihm auf, daß er noch niemals ein Schloß gesehen hatte, dessen Mechanismus so geräuschlos arbeitete, oder einen Riegel, der sich so leicht hin- und herbewegen ließ. Beide waren erst kürzlich geölt worden. Er begann die Innenseite der Tür sorgfältig zu untersuchen und fand eine ganz einfache Erklärung des an sich verblüffenden Vorgangs.
    Die Tür bestand aus acht geschnitzten Täfelungen mit rautenförmigen Verzierungen, und die Täfelung unmittelbar über dem Schloß bewegte sich leicht, als er dagegen drückte. Es dauerte geraume Zeit, bis er die winzige Feder gefunden hatte, die die Täfelung festhielt; dann aber öffnete diese sich wie ein kleines Türchen. Er konnte ohne jede Unbequemlichkeit seine Hand durch die Öffnung stecken und den Riegel zurückschieben.
    Das war nicht besonders ungewöhnlich oder unheimlich. Er wußte sehr gut, daß viele Hotels und Pensionen Vorkehrungen hatten, um Türen von außen öffnen zu können - eine sehr notwendige Vorsichtsmaßregel bei gewissen Eventualitäten. Mr. Reeder fragte sich, ob er nicht auch in der Tür von Margaret Belmans Schlafzimmer eine ähnliche ›Sicherheitstäfelung‹ finden würde.
    Es war heller Tag, als er seine Untersuchung beendet hatte. Er zog die Vorhänge auf, stellte einen Stuhl an das Fenster und ließ seine Blicke über das Gelände schweifen. Zwei oder drei Dinge waren ihm nicht ganz klar. Wenn Larmes Keep wirklich der Hauptsitz der Flack-Bande war, in welcher Eigenschaft und aus welchem Grunde hatte man Olga Crewe hierhergebracht? Er schätzte ihr Alter auf vierundzwanzig Jahre. Sie war während der letzten zehn Jahre ein ständiger Gast, wenn nicht Bewohner von Larmes Keep gewesen, und die Gewohnheiten der Verbrecherwelt waren ihm bekannt genug, um zu wissen, daß sie keine Kinder beschäftigten. Außerdem hatte sie auch eine öffentliche Schule besucht, und das hatte wenigstens vier dieser zehn Jahre beansprucht - Mr. Reeder schüttelte nachdenklich den Kopf.
    Bis zum Eintreten der Dunkelheit würde nichts mehr geschehen, war seine Überzeugung, und er legte sich in das Bett, zog die Decke über sich und schlief, bis das Mädchen an die Tür klopfte, um ihm seinen Morgentee zu bringen.
    Es war ein Mädchen mit einem runden, dicken Gesicht, einem unangenehmen Cockney-Akzent und der plump vertraulichen Art eines Menschen, der weiß, daß er zu den unentbehrlichen Bestandteilen eines Haushalts gehört. Mr. Reeder erinnerte sich, daß das Mädchen ihn bei Tisch bediente.
    »Nanu, Sir, Sie haben sich ja nicht ausgezogen«, sagte sie.
    »Ich ziehe mich selten aus«, entgegnete Mr. Reeder, richtete sich auf und nahm ihr den Tee ab. »Das ist doch solch großer Zeitverlust. Kaum hat man sich ausgezogen, muß man sich schon wieder anziehen.«
    Sie sah ihn scharf an, aber er lächelte nicht.
    »Sie sind 'n Detektiv, nich? Jeder im Haus weiß, daß Sie einer sind. Warum sind Sie hierhergekommen?«
    Mr. Reeder konnte sich ein Lächeln gestatten.
    »Es kommt mir nicht zu, mein liebes junges Fräulein, über die Angelegenheiten Ihres Arbeitgebers zu sprechen.«
    »Er hat Sie kommen lassen? Na, das ist aber stark!«
    Mr. Reeder hielt den Zeigefinger an die Lippen.
    »Wegen der Leuchter?«
    Er nickte.
    »Denkt er immer noch, daß sie einer im Haus genommen hat?«
    Ihr Gesicht war purpurrot, und ihre Augen funkelten vor Wut. Und es war keine uninteressante Beobachtung, die er da machte. Wenn jemals ›Schuld‹ in eines Menschen Gesicht geschrieben stand, so war es in dem des Mädchens vor ihm. Was für Leuchter das waren und wie sie verschwanden, konnte Mr. Reeder sich sehr gut denken. Kleine Diebstähle laufen immer in derselben Richtung.
    »Nun, Sie können ihm von mir aus sagen . . .«, begann sie in schrillem Ton, aber Mr. Reeder hob feierlich die

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