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062 - John Flack

062 - John Flack

Titel: 062 - John Flack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Vierecke aus Glimmerschiefer und ein kleines Metallmundstück daran angebracht waren. Er zögerte aber, besah sich das Ding von allen Seiten und packte es schließlich wieder in den Koffer zurück. Den großen Browning, der ihm dann in die Hände kam, betrachtete er mit offensichtlichem Mißfallen, denn der Wert von Feuerwaffen, ausgenommen unter ganz verzweifelten Umständen, erschien ihm äußerst fragwürdig.
    Das letzte, was er hervorholte, war ein Bambusrohr, das ein zweites enthielt und in Wirklichkeit eine Angelrute war. Am Ende eines dünneren Rohres war eine Drahtschlinge, in der er eine kleine elektrische Taschenlampe befestigte, nachdem er die beiden Rohre zusammengeschraubt hatte. Sorgfältig zog er die dünnen Drähte durch die Ösen der Angelrute und verband sie mit einem winzigen Knopf am Griff, wo der Durchschnittsangler die Rute zu halten pflegt. Er versuchte, die Taschenlampe einzuschalten, sah, daß sie zufriedenstellend funktionierte, blickte ein letztesmal im Zimmer umher und löschte dann das Licht aus.
    Im vollen Tageslicht würde er eine etwas komische Figur abgegeben haben, wie er mit verschränkten Beinen auf seinem Bett saß, mit seiner Angelrute, die bis in die Mitte des Zimmers reichte und die er auf dem Bettrand aufstützte. In diesem Augenblick hatte aber J. G. Reeder kein Empfinden für das Lächerliche, und vor allen Dingen waren ja auch keine Zuschauer dabei. Von Zeit zu Zeit schwenkte er die Angelrute von links, nach rechts wie ein Angler, der einen frischen Köder auswirft. Er war jetzt völlig wach, seine Ohren waren auf die feinen Unterschiede zwischen den gewöhnlichen Nachtgeräuschen - dem Rascheln der Blätter, dem leisen Hauch des Windes - und den Lauten, die nur von menschlicher Tätigkeit herrühren konnten, abgestimmt. :
    So saß er länger als eine halbe Stunde und schwenkte die Angelrute hin und her. Plötzlich fühlte er einen kalten Luftzug von der Tür her wehen. Er hatte keinen Laut gehört, nicht das leiseste Geräusch des Schlosses - aber er wußte, daß die Tür weit offenstand.
    Geräuschlos zog er die Angelrute ein, bis sie außerhalb des Bereiches der Bettpfosten war, drehte sie zur Tür und streckte sie so weit weg, bis sie einige Yards von seinem Platz entfernt war - er hatte einen Fuß auf dem Boden und war bereit, aufzuspringen oder sich zu Boden zu werfen, je nachdem die Ereignisse es verlangen würden. Die Spitze der Angelrute traf auf kein Hindernis. Reeder hielt den Atem an und lauschte. Der Gang draußen war mit dicken Teppichen belegt. Er erwartete nicht, Fußtritte zu hören. Menschen müssen aber atmen, überlegte Mr. Reeder, und es ist sehr schwierig, geräuschlos zu atmen. Er wurde sich bewußt, daß er selbst etwas zu still für einen Menschen war, von dem man annahm, er schliefe ruhig, und so stieß er ein täuschend ähnliches Schnarchen und Gurgeln hervor, wie man es von einem älteren Mann im ersten Stadium des Schlafes erwarten konnte.
    Etwas berührte das Ende der Angel und schob diese beiseite. Mr. Reeder zog den Schalter auf, und ein blendender Lichtstrahl sprang aus der Taschenlampe und zeichnete einen hellen Kreis auf der gegenüberliegenden Wand des Ganges.
    Die Tür war offen, aber nichts war zu sehen.
    Und dann, trotz seiner starken Nerven, überlief ihn eine Gänsehaut, und eisige Kälte kroch sein Rückgrat entlang. Es war jemand dort . . ., hielt sich dort verborgen . . ., wartete auf den Mann mit der Lampe, von dem er annahm, daß er herauskommen würde.
    Er streckte den Arm in voller Länge aus und schob das Ende der Rute durch die Tür auf den Korridor hinaus.
    Knack!
    Etwas schlug auf die Angel und brach sie kurz ab. Die Lampe fiel auf den Boden mit der Linse nach oben und überflutete die Decke des Ganges mit Licht. Im nächsten Augenblick war Reeder vom Bett herunter und sprang schnell bis zur Deckung, die ihm die offene Tür bot. Durch den Türspalt hatte er einen begrenzten Ausblick auf das, was draußen vorging.
    Totenstille. Unten in der Halle tickte eine Uhr bedächtig, schnurrte und schlug drei Viertel drei. Aber nichts rührte sich, nichts kam in den Lichtkreis der nach oben gerichteten Lampe, nichts . . . Bis ...
    Er hatte den blitzartigen Eindruck einer Vision. Das magere, weiße Gesicht, behaarte Lippen in einem Grinsen geöffnet, wildes, schmutzigweißes Haar, ein kahler Wirbel, ein struppiger, weißer Bart, eine klauenähnliche Hand, die nach der Lampe griff . . .
    Browning oder Gummiknüppel?
    Mr. Reeder

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