062 - Schiff der verlorenen Seelen
St. Thomas und St. Croix gesichtet worden.
„Unsere Suche ist eigentlich ziemlich hoffnungslos", meinte Dorian nach einer Weile.
„Das finde ich nicht", entgegnete Coco. „Das Schiff wurde in den vergangenen Jahren immer in den ersten Junitagen zwischen diesen beiden Inseln gesehen. Im August wurde es meist zwischen Guadeloupe und Antigua gesichtet."
„Es gibt aber auch abweichende Berichte", meinte Dorian. „Das Geisterschiff tauchte im Juni auch vor Haiti auf."
„Dieser Bericht hat nicht viel zu besagen", stellte Coco fest. „Nach den Aufzeichnungen handelte es sich um einen ziemlich unverläßlichen Zeugen."
„Trotzdem müssen wir unwahrscheinliches Glück haben. Nach den Berichten war das Schiff immer nur wenige Minuten lang zu sehen, dann löste es sich wieder spurlos in einer Nebelwand auf. Angenommen, das Geisterschiff kreuzte tatsächlich zwischen St. Thomas und St. Croix - wir könnten es immer wieder verfehlen. Wenn der Regen nicht bald aufhört, ist unsere Suche hoffnungslos."
Coco lächelte. „Du vergißt mich ganz, Dorian. Ich bin sicher, daß ich es merken werde, wenn wir uns in der Nähe des Geisterschiffes befinden."
Dorian nickte langsam. „Da kannst du recht haben. Du wirst das Schiff wahrscheinlich vor allem deswegen bemerken, weil sich ein Teil Hekates auf dem Schiff befindet."
„Das hast du bis jetzt noch nicht erwähnt", sagte Coco anklagend. „Ich finde, daß es an der Zeit ist, daß du endlich weitererzählst, was in der Vergangenheit geschah."
„Ich werde den Rest meiner Geschichte erzählen, sobald ich mir die Jacht angesehen habe", sagte der Dämonenkiller.
Er drückte die Zigarette aus, stand auf und verließ die Kabine. Coco folgte ihm. Sie schlüpften in weite Regenmäntel und stülpten sich verbeulte Hüte auf die Köpfe.
Dorian trat an Deck und klammerte sich an der Reling fest. Ein scharfer Wind peitschte ihm ins Gesicht. Die See war wild, und der Regen fiel so dicht, daß man nur wenige Meter weit sehen konnte.
Je mehr Dorian von der Jacht sah, um so weniger gefiel sie ihm. Er lernte einige der Besatzungsmitglieder kennen, die unfreundlich und mürrisch waren. Dorian inspizierte dann die Waffen, die Coco und Jeff besorgt hatten. Danach gingen sie in den Salon, in dem Jeff und Trevor saßen und Kaffee tranken.
„Hoffentlich wird das Wetter bald besser", brummte Jeff. Die Hälfte seines Kaffees hatte er verschüttet.
Dorian setzte sich nickend.
Das Boot ächzte in allen Fugen und wurde vom Sturm ordentlich durchgerüttelt.
Der Dämonenkiller hatte gegen Schiffsreisen eine Abneigung, die nur zu begründet war. Er konnte sich kaum an eine Schiffsreise erinnern, bei der nicht irgend etwas Unangenehmes geschehen war. Ein Steward in einem schmutziggrauen Jackett erschien im Salon. Er fragte nach Dorians und Cocos Wünschen; beide wollten nichts. Bei dem hohen Seegang war das auch nur zu verständlich. Der Steward zog sich zurück.
„Und jetzt will ich endlich hören, was sich weiter auf der ,Torquemada' ereignet hat", sagte Jeff grimmig.
„Wo war ich stehengeblieben?" fragte Dorian.
„Du warst mit Arbues und Alraune in der Kabine", sagte Coco. „Die Alraune hatte Hunger, und - Arbues vertröstete sie auf den Abend."
Dorian nickte, schloß die Augen und konzentrierte sich.
Immer wieder blickte ich zu dem Alraunenmädchen hin. Sie zog mich seltsam an, doch gleichzeitig stieß sie mich auch ab.
Meine Vermutung, daß Arbues zu dem Mädchen alles andere als väterliche Gefühle verspürte, bestätigte sich. Seine Augen schienen zu glühen, wenn er sie ansah.
Ich ließ meinen Blick von ihr zu ihm wandern.
„Ich habe Hunger", sagte Alraune, dabei klang ihre Stimme wie die eines kleinen trotzigen Mädchens.
„Bald ist es soweit", sagte Arbues. „Böse Männer nahmen mir deine Nahrung fort. Ich werde sie dafür bestrafen. Und du wirst mir dabei helfen, Alraune."
„Ich helfe dir", sagte sie. „Ich habe immer alles getan, was du von mir wolltest. Aber jetzt habe ich Hunger. Ich fühle mich ganz schwach, und mir ist langweilig. Ich will spielen."
Ihre schönen Hände nestelten an dem Leinentuch herum, das ihren Körper einhüllte. Es fiel auseinander und entblößte eine üppige Brust.
„Bedeck deine Brust!" sagte Arbues scharf.
Sie sah ihn verständnislos an.
„Aber weshalb soll ich sie bedecken?" fragte sie verwundert. „Du weißt, daß ich das Tuch nicht will. Und sonst bin ich doch immer..."
„Schweig!" unterbrach Arbues sie.
Die Alraune
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