0620 - Die Götzenhöhle
viertausend Jahren getan hatten.
Nichts schien sich verändert zu haben. Die Ziegen und die Yaks lieferten ihnen das Fleisch und die Milch, die Hirse bauten sie auf windgeschützten Feldern an, das Wasser wurde aus dem Brunnen durch Muskelkraft hervorgeholt, und sie kannten auch noch die alten Gesänge und Gebete, die auch die alten Rituale und die finstere Mystik der Vorfahren mit einschlossen.
Und sie lebten in einer ständigen Furcht, denn in ihrem angestammten Gebiet gab es eine besondere Stelle, die sie niemals betreten würden, weil dort die Geister derjenigen umherirrten, die schon lange gestorben waren.
Und es gab dort das Große Geheimnis!
Wenn sie darüber sprachen, dann nur flüsternd, denn niemand wußte so recht etwas damit anzufangen. Es war das Geheimnis der Vergangenheit, der Besucher, die einmal dort gewesen waren, und man flüsterte von den Sternengöttern.
Jahrtausende hatte sich dieser Glaube erhalten. Flüsternd waren die Berichte von Generation zu Generation weitergegeben worden, nicht immer korrekt, sondern häufig auch verfälscht. Man hatte einiges hinzugedichtet, aber der Kern war letztendlich gleichgeblieben.
Manchmal lag Dunst über dem Ort mit dem Großen Geheimnis.
Dann trieb der Geruch der alten Zeit über das Gelände hinweg. Es roch nach Moder und Schwefel, als hätten die finsteren Götter ausgeatmet.
Das alles war einem Mann wie Boris Belzik bekannt. Im Gegensatz zu den Einheimischen besaß er keine Furcht vor dem Unheimlichen, die hatte er nie gekannt, denn er war den anderen Weg gegangen, den des schlauen Dieners, der die Kräfte des Unheimlichen für sich ausnutzen wollte.
Er bewegte sich in den alten Grabstätten und den Höhlen, als wäre er dort zu Hause. Und er war auch vorgedrungen bis in das Zentrum der Macht, wo das große Skelett seinen Platz gefunden hatte.
Es schwebte auf einer dampfenden Masse, die einen gewaltigen, mit Schleim gefüllten Teich füllte.
Hier war der Anfang, hier konzentrierte sich alles, und von dieser Stelle aus wollte Belzik weitermachen.
Magie erfüllte die Luft. Sie war nicht zu sehen, man mußte schon mit ihr vertraut sein, um sie spüren zu können. Manchmal schimmerte das Skelett in einem geheimnisvollen Glanz. Dann sah es aus, als würde fernes, fremdes Licht durch seine Knochen fließen und sie allmählich zum Glühen bringen.
Kein Einheimischer traute sich hierher. Der Tod würde jeden Unwürdigen ereilen.
Anders Belzik. Er besaß die Demut und die Größe, um sich mit den Kräften zu arrangieren, und er wußte, daß aus der Schleimmasse so viele Blasen steigen konnten, wie er wollte.
Die Einheimischen wußten schon, weshalb sie diesen Ort mieden.
Sie würden mit der alten Magie nicht zurechtkommen und vernichtet werden.
Belzik sah es anders.
Aber so recht zufrieden war er nicht. Man konnte ihn als Teufel in Menschengestalt ansehen, dennoch gehörte er zu den sensiblen und sensitiven Menschen, die darauf geeicht waren, Gefahren sofort wahrzunehmen, auch wenn diese noch nicht eingetreten waren.
Bisher hatte er sich an diesem geheimnisvollen und vom Geist der Jahrtausende umwehten Ort wohlgefühlt. Die fremde Magie hatte ihn sicher gemacht und ihm Kraft gegeben.
Das war nicht mehr so.
Im Zentrum spürte er die Strömungen sehr deutlich. Sie waren wie eine Warnung, die seinen Geist erfüllten, denn etwas tat sich in seiner Nähe.
Belzik konnte nicht mehr so gelassen und zufrieden sein wie sonst, er hatte möglicherweise einen Fehler begangen und war zu schnell aus Finnland geflohen.
Eines wußte er sicher: Dieser blonde Engländer hatte alles überstanden. Er lebte noch, und Belzik schätzte ihn als einen Menschen ein, der nicht aufgab.
Er traute es diesem Mann sogar zu, daß er seine Spur aufnahm.
Was zahlreichen Forschern nicht gelungen war, das würde dieser Kerl schaffen. Aus diesem Grunde stieg seine Unruhe, obgleich er noch keine Beweise besaß.
Belzik wollte Vorsorgen!
Sein Gesicht zeigte einen verkniffenen Ausdruck, als er langsam durch das Dämmer des Zentrums schlich und vor dem mit Schleim gefüllten Teich stehenblieb.
Die Masse schimmerte grün-gelb. Sie befand sich in einer ständigen Bewegung, schwappte und schmatzte. Aus ihr ragte das unheimliche Skelett in die Höhe, denn durch seine Kraft blieb die Masse, was sie war.
Er schaute der Knochengestalt ins Gesicht. Seine Gedanken stießen hinein in die Ströme des anderen. Sie kreuzten sich, sie kamen zusammen, und sie formierten sich zu einem
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