0620 - Die Götzenhöhle
dieser Fahrt zu schlafen, das war schon etwas. Darum beneidete ich ihn regelrecht.
Ich schaute nach rechts, als sich der Weg allmählich senkte und wir in eine weite Kurve fahren mußten, weil uns ein vorspringender Felsbrocken den Weg wie eine dicke Nase versperrte.
Mir war schon zuvor etwas aufgefallen, denn rechts von uns und in einem schluchtähnlichen Tal, hatte ich ein unruhiges Flackern oder Licht gesehen. War es ein Feuer?
Auf meine Entdeckung sprach ich Utak an, der nur kurz nickte und dann eine Erklärung gab.
»Ja, es stimmt. In dieser Schlucht leben die Nachkommen der Ashaten. Es ist ein enges, begrenztes Gebiet, sehr versteckt zudem und unwegsam.«
»Kommen wir mit unserem Jeep hinunter?«
»Nein.«
»Also klettern.«
Es gibt manchmal Dinge im Leben, denen kann man nicht ausweichen. Also würde ich klettern müssen, hoffentlich nicht an blanken Felswänden entlang, sondern auf einigermaßen begehbaren Pfaden.
Den Felsvorsprung als Nase zu bezeichnen, war falsch gewesen.
Er glich schon mehr einem gewaltigen Massiv, das von der übrigen Wand sehr deutlich abstand.
Der Weg wurde so schmal, daß soeben noch unser Jeep darauf Platz fand.
Ich kam leicht ins Schwitzen. Suko schlief noch immer, und Utak behielt die Nerven. Er kurbelte am Lenkrad, gab sich sogar ziemlich locker.
Endlich war es geschafft. Ich schaute durch die Lücken zwischen den beiden Vordersitzen und glaubte, in einen schwarzen Spiegel zu starren. Dabei war es nur eine querstehende Felswand, von Wind, Sonne, Schnee und Regen gebleicht und poliert.
Utak trat auf die Bremse. Der Jeep stand sofort. In diesem Moment erwachte auch Suko, als hätte er nur darauf gewartet.
»Na, du Penner?«
»Was heißt hier Penner? Ich habe ein gutes Gewissen, und das ist bekanntlich ein Ruhekissen.«
»Ach ja?«
Suko stieg aus. Er stellte keine Fragen, schaute sich um und meinte dann, als Utak die Tür zuschlug: »Ich schätze, wir sind am Ziel.«
»Richtig.«
Utak winkte uns zu. »Es gibt einen Weg, der in das Tal hineinführt. Verlaßt euch auf mich.«
»In welches Tal?«
Ich stieß Suko gegen die Schultern. »Hättest du nicht geschlafen, wäre dir die Anfahrt nicht entgangen.«
»So fühle ich mich aber besser.«
»Das glaube ich dir schon.« Bevor Utak in der Dunkelheit verschwinden konnte, gingen wir ihm nach. Es war einfach unheimlich, durch die Finsternis zu gehen. Es gab kein Licht, aber die Umgebung bekam einen helleren Glanz, als wir eine bestimmte Strecke hinter uns gelassen hatten und die vorwachsenden Felsen uns auch nicht mehr die Sicht nahmen. Da entdeckten wir am Himmel einen bleich-bläulichen Vollmond, da konnten wir auch den Widerschein der Flammen sehen, die tief unten durch das Tal huschten.
Es war sonst nichts zu erkennen, keine Hütten, keine Höhlen, auch keine Menschen.
Utak war stehengeblieben. Er hatte den Kopf leicht nach vorn gedrückt und bewegte seine Nasenlöcher. Die Geräusche, die er abgab, erinnerten mich an ein Schnüffeln.
»Was ist los?«
Er ließ sich Zeit mit der Antwort, schnüffelte weiter und war erst dann sicher. »Ich rieche es, John. Die haben die Feuer nicht grundlos entfacht.«
»Kann ich mir denken, bei der Kälte…«
»Das ist es nicht. Die Flammen produzieren Rauch, der einen bestimmten Geruch besitzt.«
»Ach ja?«
Utak blieb ernst. »Es ist der Geruch des Todes«, sagte er mit leiser Stimme. »Sie haben die Kräuter der Erde in die Flammen gestreut, weil diese das Ritual begleiten.«
»Welches genau?«
»Es ist die Feier der Toten. Dort unten werden Menschen bestattet…«
»Auch verbrannt?« fragte Suko.
»Ich habe noch nichts gerochen. Wenn Leichen verbrannt werden, riecht es anders.«
Da hatte er recht. Ich wollte wissen, welche Bedeutung die Verbrennung der Toten bei den Ashaten besaß.
»Sie sehen den Körper nach seinem Ableben als eine wertlose Hülle an und wollen einzig und allein, daß sich der Geist mit den anderen Geistern verbindet.«
»Mehr nicht?«
»Nein.«
Wenn dem so war, mir sollte es recht sein. Dennoch ging ich davon aus, daß es so einfach nicht war, wie es unser neuer Freund gesagt hatte.
Falls die Ashaten einmal zu den Urvölkern der Mongolei gehört hatten, so waren von ihnen nur wenige übriggeblieben, denn ich rechnete damit, daß dieses Tal keine großen und weiträumigen Lebensbedingungen bieten würde.
»Wie ich schon sagte, wird der Weg nicht einfach sein«, erklärte uns Utak mit einem warnenden Unterton in der Stimme. »Wir müssen
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