0621 - Weckt die Toten auf!
sie. »Spar dir die dämlichen Floskeln. Na schön, ruf das Taxi und gibt mir den Scheck. Am besten noch ein bißchen Geld zusätzlich, denn ich werde mir irgendwo ein Hotel suchen müssen. Ich nehme ja an, daß du mich nicht auf die ganz lange Reise nach Frankreich schickst.«
»Du kannst dir dein Flugziel selbst aussuchen«, sagte Zamorra. Er unterschrieb ein halbes Dutzend Schecks, ohne Summen einzusetzen. »Bediene dich.«
»Blanko?« staunte Nicole. »Wenn ich mal ein paar Klamotten einkaufen will, stellst du dich an wie der erste Mensch, und hier wirfst du mit Blankoschecks um dich?«
»Ich denke doch, daß Eva sie nicht mißbrauchen wird.«
»Da sei dir mal nicht zu sicher«, fauchte die Blonde. »Zamorra, das hier vergesse ich dir nicht so schnell. So eine eiskalte Abfuhr habe ich noch nie erlebt.«
»Wenn du darüber nachdenkst, wirst du erkennen, daß es nicht anders geht«, sagte Zamorra.
Eine Viertelstunde später stieg Eva ins Taxi - die Gesetze des absolut behinderten, chaotischen Straßenverkehrs schienen zwar für Rettungswagen und Polizei zu gelten, nicht aber für Taxifahrer - und war verschwunden.
»Ich weiß nicht, ob das wirklich sein mußte«, sagte Nicole.
»Es ist einfach sicherer. Sie hat einfach nicht die Kontrolle über sich.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Ich werde mir den anderen Leichnam ansehen«, sagte Zamorra. »Ich rufe den Kommissar an, damit er mir sagt, wo.«
»Ohne mich«, erwiderte Nicole.
Zamorra sah sie erstaunt an.
»Eine Leiche pro Tag reicht mir«, sagte sie. »Du kannst mir später davon erzählen. Ich jedenfalls werde in den nächsten Stunden tun, weshalb wir hierhergekommen sind: mir den Festumzug ansehen. Zumindest einen Teil davon.«
»Du mißt dieser Sache zu wenig Bedeutung bei.«
»Vielleicht. Ich reiße mich aber auch nicht darum, mir die Pfötchen zu verbrennen. Weißt du, wieviel Voodoo-Zauber hier betrieben wird? Vielleicht ist es nur ein bißchen Voodoo-Magie, die du gespürt hast.«
»Vielleicht steckt aber auch mehr dahinter. Und ich will's nicht eskalieren lassen. Ein Feuer löscht man am sichersten, wenn es noch klein ist.«
»Hast du schon mal daran gedacht, daß wir von der ganzen Sache höchstwahrscheinlich nicht so viel«, Nicole deutete mit Daumen und Zeigefinger eine Zentimeterspanne an, »mitbekommen hätten, wenn wir nicht zuerst unseren Strand- und Freßausflug gemacht hätten, sondern sofort in Richtung Umzug aufgebrochen wären?«
»Da wir aber nun von der Magie wissen, können wir sie nicht einfach ignorieren. Und wir können die Uhr auch nicht ein paar Stunden zurückdrehen. Selbst wenn, würde es nichts nützen. So ist es bestimmt besser - wir sind informiert und können etwas unternehmen.«
Sie trat zu ihm und küßte ihn. »Dann unternehmen wir mal was. Du nimmst dir die Arbeit vor, und ich mir das Vergnügen. Das ist gerecht geteilt. Wir sehen uns spätestens morgen früh«, sagte sie. Dann schlüpfte sie aus Bluse und Tanga und heftete sich die selbstklebenden Straß-Händchen an, drehte sich einige Male vor Zamorra um sich selbst. »Überlegst du es dir immer noch nicht anders?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte zwar, aber ich halte es jetzt nicht für ratsam. - Viel Vergnügen«, wünschte er. »Und laß dich nicht von fremden Männern ansprechen und dir Schokolade schenken.«
Sie lachte auf. »Die fremden Männer sollten sich eher vor mir in Acht nehmen…«
Aber es klang irgendwie nicht richtig fröhlich.
***
Es hatte nicht lange gedauert.
Danach setzte sich José Selva hinter das Lenkrad des Ford Taurus und fuhr ihn zu Paco da Canairas Anwesen. Er stellte ihn vor dem Tor ab, stieg aus und rief von der nächsten Telefonzelle aus bei da Canaira an.
Danach verschwand er in der Nacht.
Er wurde noch an einem anderen Ort benötigt.
Erneut war die Wahl auf ihn gefallen - was ihn am meisten überrascht hatte. Aber er nahm es mit Stolz und Ehrfurcht auf sich.
***
Der dunkelhäutige Helfer im Leichenschauhaus zog die Lade aus dem Kühlfach. Kommissar da Caveneiro schlug die Decke zurück. Zamorra sah in ein blutleeres Gesicht, sah einen Körper, der regelrecht verschrumpelt war und kaum mehr zu erkennen gab, ob die Tote jung oder alt gewesen war.
»Ein kleiner Einstich in der Brust«, sagte da Caveneiro. »Eine breite, vermutlich sehr scharfe Klinge. Aber es scheint kein Blut ausgetreten zu sein. Trotzdem ist der ganze Körper völlig blutleer.« Er hielt ein paar Bögen Papier in der Hand. »Die erste
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