0621 - Weckt die Toten auf!
daß wir beide jetzt nichts davon haben«, flüsterte Pablo. »Sonst könnte ich Ihnen beweisen, daß Ihr Gefährte Sie völlig zu recht gewarnt hat…«
»Angeber!« grinste Nicole heiter.
Sie lächelten sich an.
Die Notbeleuchtung zeigte Nicole, daß das Zimmer mit vier weiteren Patienten eigentlich total überbelegt war. Aber Escanderon gehörte wie wohl auch die anderen vier zur mittellosen Unterschicht; er konnte froh sein, daß man ihn überhaupt aufgenommen hatte. Es war zu befürchten, daß man ihn der fehlenden Geldmittel wegen auch weit früher entlassen würde, als für ihn gut war, abgesehen davon, daß er durch die Behandlungskosten jetzt wohl bis über sein Lebensende hinaus verschuldet war. Nicole nahm sich vor, etwas dagegen zu tun; die vor vielen Jahren von Zamorra ins Leben gerufene deBlaussec-Stiftung für Opfer schwarzmagischer Kräfte konnte die Behandlungs- und Folgekosten ruhig übernehmen. Sie beruhte auf einem millionenschweren Dämonenschatz, den der Dämonenjäger damit für einen guten Zweck umgewidmet hatte…
Aber davon erzählte sie dem Patienten nichts. Weder ihr noch Zamorra war an verfrühten oder späteren Dankesbezeugungen gelegen. Mochte Pablo sich ruhig darüber wundern, welch rettender Engel ihn dieser finanziellen Sorge enthob…
»Mein rettender Engel«, lächelte Pablo. »Ohne Ihre Hilfe wäre ich jetzt möglicherweise tot. Was treibt Sie zu mir, Senhorita?«
»Die Neugierde«, sagte Nicole. Sie betrachtete Pablos Kopf und Hals. Er war mit einem Gipskragen und vermutlich noch ein paar weiteren, für Nicole unsichtbaren Mittelchen fixiert worden; Pablo konnte und durfte für die nächste Zeit seinen Kopf keineswegs bewegen. Nicole hoffte, daß der Bruch ohne größere Komplikationen heilte.
»Mitten in der Nacht?« wunderte er sich.
»Ich möchte von Ihnen etwas mehr über das Mädchen erfahren, das im Hotel bei Ihnen war«, sagte Nicole.
Er wurde mißtrauisch. »Über Rosita? Warum? Sind Sie eine Polizistin?«
»Nein. Aber wir sind ebenso wie die Polizei an einer Klärung des Falles interessiert.«
»Wer ist wir?«
»Mein Gefährte und ich. Wir… befassen uns mit… sagen wir mal, okkulten oder auch magischen Dingen.«
Sie sah ihn dabei prüfend an, erwartete seine Reaktion.
Sie war positiv.
»Deshalb also«, murmelte er.
»Was meinen Sie damit, Pablo?«
»Deshalb also waren Sie so schnell da. Sie sind hinter Rosita her?«
»Sollten wir das?«
»Mit ihr stimmt etwas nicht.« Langsam, zögernd berichtete Pablo von Rositas seltsamem Verhalten. Ihre zeitweilige Geistesabwesenheit, ihr zerfleddertes Leichenhemd, ihre Ausdünstung… und schließlich, daß sie ihm einfach so das Genick gebrochen hatte!
»Warum hat sie das nur getan?« seufzte er. »Ich war nie schlecht zu ihr! Ich war ihr nicht einmal böse, als sie sich mit da Canaira verlobte. Das war ihr gutes Recht, oder nicht? Er ist reich, steinreich. Er kann ihr eine Zukunft bieten. Eine gute Zukunft, wie sie es verdient. Was hätte ich ihr schon bieten können? Ich bin ein armer Teufel ohne Geld, ohne Haus, ohne Arbeit. Nur ein kleiner Taschendieb, der sich irgendwie über Wasser hält.«
Jetzt war er es, der Nicole prüfend ansah und auf eine Reaktion wartete. Sie beugte sich leicht vor, daß er sie besser sehen konnte, ohne seine Pupillen zu weit verdrehen zu müssen, und lächelte ihn an.
»Vielleicht schaffen Sie es ja doch, da herauszukommen. Sie beginnen jetzt ein zweites Leben, Pablo.«
»Ein Leben ist wie das andere. Ich verstehe Rosita nicht. Sie war so verändert. Und - ich war sicher, daß sie tot sei. Sie hatte einen furchtbaren Unfall, es stand sogar in der Zeitung. Und dann sah ich sie heute wieder. Sie hat nicht einmal eine Narbe. Wie kann das sein?«
»Vielleicht hat jemand sie aus dem Grab zurückgerufen«, vermutete Nicole.
»Ein Zombie?« Sie sah an einem ganz leichten Zucken, daß er energisch den Kopf zu schütteln versuchte und das erfreulicherweise nicht konnte. »Nein«, protestierte er leise. »Ich weiß, wie Zombies aussehen und wie sie reagieren. Rosita ist kein Zombie.«
»Es ist vielleicht eine andere Art von Magie. Ein anderer Erweckungszauber.«
»Erweckung«, murmelte er. »Warten Sie mal, Senhorita.«
Sie wartete.
Er dachte angestrengt nach. Dann fuhr er fort: »Es kann eine ganz andere Bedeutung haben, aber seit ein paar Monaten munkelt man in der Stadt von Erweckern. Niemand will je einen Erwecker gesehen haben, aber es soll diese Leute geben.«
»Was
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