0621 - Weckt die Toten auf!
bedeutet das? Daß sie Tote aus den Gräbern holen?«
»Vielleicht«, flüsterte Pablo. »Könnte es bei Rosita nicht so sein? Keine Zombie, aber eine Erweckte? Vielleicht wollte jemand nicht, daß sie tot ist.«
»Sie zum Beispiel.«
»Ich, ja. Aber auch ihr Verlobter. Rosita ist ein sehr schönes Mädchen. Wer sie zur Frau nimmt, heiratet kein Mädchen, sondern ein Schmuckstück, ein Juwel.«
»Wenn jemand Rosita erwecken ließ, hat er jetzt Pech«, sagte Nicole. »Sie ist leider - wieder - tot. Sie stürzte sich aus dem Fenster, nachdem sie Sie zu ermorden versuchte.«
»Ja«, sagte Pablo. »Ich habe es mir gedacht. Die Stimmen auf dem Flur, das Geschrei… ich wußte es. Es ist vielleicht auch gut so. Die Toten sollen tot bleiben. Gott gibt, Gott nimmt. Niemand darf ihm ins Handwerk pfuschen. Ich trauere um Rosita, aber es ist wohl besser so. Es ist richtig. Wenn sie nach dem Unfall wirklich tot war, soll sie auch tot bleiben. Ich verfluche den, der sie in ihrer Ruhe stören ließ.«
Apropos Ruhestörung…
Die Zimmertür wurde aufgestoßen und knallte gegen eine Bettkante, das Hauptlicht flammte auf; eine stämmige Nachtschwester, flankiert von zwei Pflegern, stürmte herein. »Was, zum Teufel, machen Sie hier?« fuhr sie Nicole laut und zornig an.
»Ich bemühe mich, die Patienten schlafen zu lassen - im Gegensatz zu Ihnen, Senhora«, erklärte Nicole gelassen. In der Tat wurden die Männer, die bisher ruhig weitergeschlafen hatten, durch den Trubel wach.
»Sie haben hier überhaupt nichts zu suchen! Raus hier, sofort!«
Die beiden Pfleger marschierten auf Nicole zu.
Die erhob sich von der Bettkante. »Vorsicht«, warnte sie. »Stoßen Sie das Bett nicht an, wenn Sie den Patienten nicht ermorden wollen.« Dann wandte sie sich wieder Pablo zu. »Sie erwähnten eben Rositas Verlobten. Wie heißt er noch?«
Einer der Pfleger faßte nach Nicoles Arm. Beinahe beiläufig machte ihm eine blitzschnelle Kung Fu-Abwehrbewegung klar, daß so etwas gar nicht gut für ihn war.
»Ich lege keinen Wert auf Streit«, erklärte Nicole. »Aber ich habe auch niemandem gestattet, mich anzufassen. - Pablo, den Namen bitte noch einmal.«
»Paco da Canaira«, sagte Escanderon leise.
»Ich danke Ihnen. Sie haben uns geholfen. Auch Ihnen wird man helfen.«
Sie löste sich von ihm und schritt zwischen den beiden Pflegern hindurch zur Tür; der Getroffene rieb sich immer noch den schmerzenden Unterarm.
An der Tür, neben der Nachtschwester, drehte sie sich noch einmal um. »Ich wünsche Ihnen allen eine vom Personal nicht noch einmal gestörte angenehme Nachruhe, Senhores.«
Und war draußen auf dem Gang.
Die ihr auf dem Fuß folgende und permanent auf sie einschimpfende Schwester ignorierte sie, bis die Lifttür sich hinter ihr schloß.
Paco da Canaira.
Steinreich sollte er sein.
Der Mann mußte doch zu finden sein!
***
José Selva traf die Vorbereitungen für die erneute Erweckung. Niemand wunderte sich darüber, daß nur eine Nacht nach einem Ritual schon ein weiteres stattfand. Erwecker stellten keine Fragen, sie erledigten ihre Arbeit.
Wer diesmal erweckt werden sollte, war Jorge Navarros Sache. Er als Erster Erwecker war für den Teil des Rituals zuständig, der auf dem Totenacker stattfand.
Der Zweite Erwecker, wieder José, mußte den anderen Acker bestellen und dafür sorgen, daß Lebensenergie fließen konnte.
»Besorgt das Opfer«, hatte er bereits angeordnet und die Erwecker bestimmt, die es herbeiholen sollten; zwei Männer, die diese Aufgabe schon öfters routiniert erledigt hatten. Sie waren bereits unterwegs.
Die Zeit war günstig. Tausende von Menschen waren auf den Straßen unterwegs, viele Fremde, die niemand kannte. Niemand würde Fragen stellen, bis es längst zu spät war.
Sicher waren die beiden Männer längst fündig geworden. José rechnete jeden Augenblick damit, daß sie das Opfer herbrachten.
Dann konnte das Ritual beginnen.
Ein Leben für ein Leben.
Ein Toter wurde erweckt, ein Lebender ging dahin.
***
»Wir brauchen uns doch beide nichts vorzumachen«, sagte Kommissar da Caveneiro. »Ihre Leibwächter «, er gestattete sich ein wenig dezentes Hüsteln, »sind einem Ihrer Freunde ein wenig auf die Zehen getreten, und das hier ist das Resultat.«
»Kann es sein, daß man mir mit Ihnen den falschen Mann geschickt hat, Kommissar?« fragte Paco da Canaira. »Ihre Aufgabe sollte es sein, den Mörder dieser beiden Männer zu finden, nicht aber, mich zu beleidigen!«
»Ach, kommen
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