0625 - Die Schrumpfkopf-Königin
Möglichkeit blieb ihm noch. Was immer er auch sonst tat, das Richtige war es nicht. Er eckte stets irgendwo an.
Sehr langsam schob er sich aus seiner hockenden Haltung wieder in die Höhe, den Dolch hart umklammernd. Sein Blick war steinern geworden und gab die Gedanken, die ihn durchtosten, nicht wieder.
Sollte er, sollte er nicht?
Er senkte die Augen. Die Klinge des Dolchs verriet ihm die Lösung nicht.
Sie schimmerte in einem dunklen Blau, warf keinen Lichtreflex zurück, und Sagari dachte daran, welch eine Mühe es ihm gekostet hatte, den Harakiri-Dolch zu reinigen, denn er hatte ihn ziemlich verdreckt erworben.
Besonders der Griff war das Werk eines hervorragenden Künstlers. Eine wunderbare Arbeit. Er war mit geheimnisvollen Todeszeichen aus der japanischen Mythologie verziert, die schon einer künstlerischen Intarsienarbeit glichen.
Sagari setzte den Dolch an. Die Spitze fand ihren Platz oberhalb des Bauchnabels.
Jetzt brauchte er nur hineinzustechen, die Klinge nach verschiedenen Seiten bewegen, dann nach oben ziehen und…
Schweiß rann ihm wie Wasser über die Stirn. Sein Herz schlug rasend schnell. Es gehörte ein wahnsinniger Mut dazu, sich mit dieser Waffe umzubringen.
In der Achtung zahlreicher Landsleute würde er steigen, wenn er seinem Leben auf diese Art und Weise ein Ende setzte. Aber war die verdammte Person das wert?
Wieder sah er sie vor sich. Er spürte noch jetzt ihren Griff, mit dem sie mühelos seinen Arm hätte brechen können.
Nein, er wollte nicht.
Mit zitternder Hand zog er die Klinge wieder zurück und holte tief, sehr tief Luft. Dabei gewann er das Gefühl, als würde neues Leben in ihn hineinströmen.
Zudem läutete im Wohnzimmer das Telefon, und dieser Klang ließ ihn zusammenzucken.
Rasch lief er hin, stoppte vor dem Apparat, hob ab und traute sich nicht, seinen Namen auszusprechen.
»Bist du es, Sagari?«
Pete zuckte zusammen, weil er die Stimme der gefährlichen Frau sofort erkannt hatte.
»Ja.«
»Du machst doch keine Dummheiten – oder?«
Sagari zuckte zusammen. Ihm fiel ein, daß er den Dolch noch in der Hand hielt. Als wäre er kochend geworden, ließ er ihn fallen.
»Nein… nein, wie kommen Sie darauf?«
»Nur so, mein Lieber.«
»Ich… ich wollte schon anfangen, als mir einfiel, daß ich ja noch Informationen brauche.«
»Stimmt, Pete. Deshalb rufe ich dich an. Hast du etwas zu schreiben?«
»Moment.« Er holte einen Block und einen Kugelschreiber und wartete ab.
»Jetzt hör genau zu. Was ich dir sage, wirst du in den Computer eingeben und den Code der anderen Firma damit zerhacken. Ich werde die Kontrolle übernehmen, und du wirst derjenige sein, der meine Anordnungen korrekt ausführt.«
»Natürlich.«
»Ich selbst habe noch etwas zu erledigen. Mir ist jemand zu neugierig geworden. Und jetzt hör zu.«
Akido diktierte etwa eine Minute, und ihre Stimme hatte sich dabei verändert. Sie klang wesentlich dumpfer. Die einzelnen Vokale hörten sich an, als würden sie aus dem Mund hervorzischen.
Pete Sagari schrieb mit. Er verstand kaum mehr als einen Bruchteil davon, doch er schrieb und schrieb. Dabei hatte er das Gefühl, als würde seine Hand nur so über das Papier hinwegfliegen. Alles kam ihm sehr leicht vor, er konnte sich darüber freuen und unterbrach Akido mit keiner einzigen Frage.
»Verstanden?«
»Ich habe alles notiert.«
»Wie schön. Du wirst dich gleich an die Arbeit machen. Setze dich vor deinen Apparat und gebe die Informationen ein. Sie werden sich verselbständigen, Programme knacken oder unter ihre Kontrolle bringen.«
»Natürlich.«
»Und keine Dummheiten, mein Freund! Ich werde dich beobachten. Es lohnt sich nicht, mich reinlegen zu wollen.«
»Ich verspreche es.«
Die Frau hatte aufgelegt, und auch Sagari ließ den Hörer langsam auf die Gabel sinken.
Dann drehte er sich um. Auf seinem Gesicht zeichnete sich die Angst ab, denn einiges von dem, was ihm da gesagt worden war, hatte er schon verstanden.
Da ging es um die Anrufung mächtiger Dämonen, um den Tod und die Vernichtung. Auch sollte die Hölle ihre Pforten öffnen, damit das Grauen freie Bahn bekam.
Ihn schauderte, als er daran dachte.
Wie ein Schlafwandler drehte er sich um und behielt die steife Haltung bei, als er auf seinen Computer zuschritt, vor dem sein gepolsterter Drehstuhl stand.
Trotzdem hatte er den Eindruck, sich auf eine harte Stahlplatte zu setzen. Alles war anders geworden, die eigene Wohnung erschien ihm wie ein ihn umgebender
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