0625 - Die Schrumpfkopf-Königin
Verbindung zu setzen.
Der Wind fuhr unangenehm kalt zwischen Kragen und Nackenhaut, als er den Honda verließ. Am Himmel jagten sich die grauen Wolken gegenseitig. In der Nacht hatte es geregnet, jetzt waren die Straßen trocken. Über ihm bewegte sich das kahle Geäst der Bäume.
Alles roch wieder nach einem kräftigen Sturm. Der letzte hatte im Haus drei Fensterscheiben zerdrückt, zum Glück nicht an der Seite, wo Sagari wohnte.
An die sehr moderne Haustür der alten Fassade mußte man sich erst gewöhnen. Das hatte der Mann mittlerweile. Auch an den Marmor im Flur, er kam ihm längst nicht mehr so kalt vor wie zu Beginn.
Er hätte den Lift nehmen können, entschied sich jedoch für die Treppe. Weit hatte er es nicht.
Die erste Etage war schnell erreicht. Er teilte sie mit zwei anderen Wohnungen.
Niemand befand sich auf dem hell gestrichenen Flur. Der Teppich schimmerte in einem Blaugrau, dessen Farbe auch die weiße Decke angenommen hatte.
Sagari schloß auf und betrat die Wohnung mit zögernden Schritten. Wie gesagt, sie gehörte zu den kleinsten, war trotzdem relativ groß. Besonders das Zimmer, in das er hineinging. Es diente ihm als Wohn- und Arbeitsraum, manchmal auch als Schlafraum, wenn er die Nacht fast vor dem Computer verbracht hatte, der auf einer großen Holzplatte stand, die sogar noch Platz für den Drucker aufwies.
Ansonsten zeigte die Wohnung keine besonders auffallende Möblierung. Es war eben alles praktisch und selbst zusammengebaut.
Ebenso leicht ließen sich die Regale auch wieder entfernen.
Den Mantel hatte er im Flur an den Haken gehängt, schaute im Bad und im Schlafraum nach.
Erst als er sich davon überzeugt hatte, daß niemand auf ihn wartete, atmete er beruhigt auf.
Im Wohnzimmer stellte er sich an das Fenster und schaute in den Vorgarten, wo der Wind mit Blättern spielte. Er nahm die Szene auf, aber nicht bewußt wahr, denn seine Gedanken bewegten sich in ganz anderen Bereichen.
Wie sollte er sich verhalten?
Es gab für ihn nur eine Möglichkeit. Selbst die Initiative zu ergreifen, traute er sich nicht zu. Wenn es nach Akido gegangen wäre, hätte er sich jetzt vor seinen Computer setzen und versuchen sollen, in die Programme von Nippon Electronics hineinzugelangen.
Das traute er sich nicht. Außerdem hatte er den magischen Wortlaut vergessen. Es würde besser sein, wenn die Formeln noch ein-oder zweimal wiederholt würden.
Es gab auch eine dritte Möglichkeit!
Sie fiel Sagari plötzlich ein. Als er daran dachte, wurde er kreidebleich und bekam einen erneuten Schweißausbruch. Um diese Möglichkeit anzugehen, benötigte er einen Mut wie nie.
Er war zur Hälfte Japaner, aber er fühlte mehr als Asiate, deshalb war ihm die Möglichkeit auch nicht so fremd, wie sie im ersten Augenblick erschienen war.
Als Sagari sich drehte, erzeugten seine Sohlen ein schleifendes Geräusch auf dem Teppich. Er schaute gegen die Tür und ging mit steif wirkenden Schritten auf sie zu.
In seinem Gesicht bewegte sich nichts. Es war zu einer Maske geworden, aber er merkte sehr deutlich den Druck, der wie ein Klumpen in seinem Magen lag.
Was er vorhatte, war so ungeheuerlich, daß er darüber mit keinem anderen Menschen reden konnte.
Im Schlafzimmer stand ein Bett, breit genug, um auch zwei Personen aufzunehmen.
An der linke Seite breitete sich die Kommode aus. Auf ihr lagen noch einige Fachbücher, in die Sagari vor dem Einschlafen oft hineinschaute. Mehrere Schubladen unterteilten die Vorderseite der Kommode. Die unterste zog Sagari auf.
Dort lagen Taschentücher wohlgeordnet nebeneinander. Pete schob seine Hand darunter und versteifte in seiner Haltung, als er den Gegenstand schon beim ersten Versuch zu packen bekam.
Auf dem Flohmarkt hatte er ihn gekauft. Er war ihm ins Auge gestochen, und der Verkäufer hatte es ihm schriftlich gegeben, daß es sich um einen echten handelte.
Mit einem Ruck zog er die Hand hervor.
Seine Finger umschlossen den Griff eines Dolchs mit leicht gekrümmter Klinge.
Das war die dritte Möglichkeit. Sich den Dolch in den Körper zu stoßen und ihn durch rituelle Bewegungen so zu führen, daß er sich selbst den Bauch aufschlitzte.
Harakiri nannte man es!
Spätestens seit der Oper »Madame Butterfly« war diese Art, sich selbst den Tod zu bringen, auch in Europa bekannt geworden. Da brachte sich die Heldin aus enttäuschter Liebe zum Schluß ebenfalls um, weil sie ihre Ehre wieder herstellen wollte.
Auch Pete Sagari dachte ähnlich. Diese dritte
Weitere Kostenlose Bücher