0625 - Lucifuges Mörder-Horden
in der weißen Toga lächelte und trank von dem süßen Wein, den Zamorra einschenkte. »Niemand braucht schon heute zu wissen, daß Santor einen neuen Sklaven hat. Erfreulicherweise war kaum jemand auf jenem Teil des Marktes, uns zu beobachten. Zudem wollte ich nicht dabei sein, wenn du die ersten Worte mit Parco wechselst. Ich will nicht wissen, was du ihm sagst. Doch du wirst ihn in alles einweisen, was bislang du zu tun hattest. Er wird in deine Pflichten gehen.«
»Warum das?« fragte Zamorra verblüfft. »Dominus, bist du mit mir nicht mehr zufrieden?«
»Sehr sogar. Deshalb werde ich dich künftig für andere, besondere Aufgaben einsetzen. Du wirst auch keinen Kragen mehr tragen. Nach außen wird es so aussehen, als hätte ich dich freigelassen. Und vielleicht werde ich das eines Tages auch wirklich tun, wenn du dich in deiner neuen Aufgabe bewährst.«
Zamorra bemühte sich, sein Beinahe-Erschrecken nicht zu zeigen. Besondere Aufgaben? Kein Sklavenkragen mehr? Sein Leben lang hatte er gehofft, einmal frei zu sein, aber er wußte auch, daß er dann auf sich allein gestellt sein würde, selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen mußte.
Aber noch war es ja nicht so weit. Noch drohten ihm nur Sonderaufgaben, woraus diese allerdings bestehen sollten, erzählte sein Herr ihm nicht. Er ließ auch keinen Widerspruch gelten, sondern öffnete mit seinem Schlüssel den eisernen Kragen und warf beides fort.
Wie im Traum war Zamorra später losgezogen, um Parco vom Markt zu holen und auf einem Schleichweg zum Santor-Haus zu bringen. Er wußte nicht, warum der Dominus ein so großes Geheimnis daraus machte - über kurz oder lang würden es andere doch erfahren, daß ein neuer Sklave im Santor-Haus arbeitete.
Er konnte nicht ahnen, daß ein Wahrsager dem Dominus für die kommenden drei, vier Tage ein böses Horoskop gestellt hatte. Und Santor hielt Horoskope immer für zutreffend…
Aus einer Eingebung heraus hielt Santor den Sklavenwechsel geheim. Er selbst konnte nicht genau sagen, warum er es tat. Ahnte er, in welcher Form sich das Horoskop bewahrheiten sollte? Wollte er einen Angreifer mit einem Trick hereinlegen? Er wußte es selbst nicht, folgte nur seinem Instinkt.
Bald erreichte Zamorra den Sklavenmarkt. Hier gab es jetzt mehr Betrieb als am Morgen, und auch Cristofero war beschäftigt. Doch Zamorra konnte sich eine kurze Frage nicht verkneifen.
»Diese Eva… woher hast du sie, Händler?«
»Ich kaufte sie in einem kleinen Dorf jenseits der Grenze«, knurrte der Sklavenhändler ungehalten. »Ihre Familie war arm und brauchte Geld. Diese Barbaren! Dabei ist das Mädchen kaum etwas wert. Willst du sie kaufen? Aber du hast ja selbst kein Geld, bist ja nur ein Sklave.« Daß Zamorra den eisernen Ring nicht mehr trug, fiel ihm nicht auf.
»Nun nimm diesen Parco und mach dich auf den Weg zu deinem Herrn! Götter, ich habe Wichtigeres zu tun, als mit dir über dumme und schwache Weiber zu reden, die viel fressen, aber sich nur schwer verkaufen lassen…«
Unerkannt verschwand Zamorra mit dem Jüngling. Niemand achtete auf sie beide. Immer wieder sah er sich prüfend um, aber da war niemand, der ihn und Parco auf ihrem Weg beobachtete. Niemand interessierte sich dafür. Warum auch?
Selbst die beiden seltsamen Gestalten, die am frühen Morgen das Santor-Haus beobachtet hatten, ahnten nichts von dieser Veränderung, die sich dort abspielte…
Aber Zamorras Gedanken drehten sich immer wieder um ein Mädchen namens Eva, und es waren recht eigentümliche Gedanken…
***
Die beiden heimlichen Beobachter vom Morgen trugen ihre Kapuzenmäntel nicht mehr. Sie entpuppten sich als drahtige Gesellen mit schwarzem, glatten Haar, dunklen Gesichtern und dunklen Augen. Wenn man sie näher betrachtete, konnte man sie für Brüder halten. Ihre Kleidung war nicht gerade vornehm, aber auch nicht heruntergekommen. Und sie sahen so aus, als befänden sie sich oft auf Reisen.
Wenn einer der beiden sich am Schanktisch vorbeugte und sein Wams aufklaffte, konnte ein genauer Beobachter den Gürtel sehen, aus dem die Griffe einer langen Reihe von scharfen Wurfmessern ragten. Aber die Kleidung war wie auch die seines Gefährten so gearbeitet, daß sie eine ganze Menge an Waffen verbergen konnte, ohne daß es sonderlich auffiel.
Nur wenige Gäste befanden sich in der Taverne. Um diese Zeit saßen die meisten Männer bei Tisch oder arbeiteten noch. Dennoch hielt der Wirt sein Haus geöffnet, denn der Markt war dicht anbei, und manchen
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