0627 - Nadine und die Mörderwölfe
werden?«
»Nur zur Sicherheit.«
Johnny dachte an Flucht. Den gleichen Gedanken vollzog auch die Layton nach. Bevor der Junge sich bewegen konnte, packte sie blitzschnell zu. Ihr Griff war hart, er umklammerte Johnnys linke Schulter, ließ ihn nicht mehr los.
Sie zog ihn so weit zu sich heran, wie es nötig war. Dann klickte ein Kreis um das linke Handgelenk, den anderen verband Morgana mit dem Lenkrad.
»Das war es«, sagte sie.
Johnny konnte es nicht fassen. Er rutschte bis auf die äußerste Kante des Sitzes, wo er in einer schiefen Haltung hockenblieb. Als Morgana die Wagentür öffnete, traute er sich nicht danach zu fragen, wohin sie gehen wollte.
Der Schwall an kühler Luft erfüllte für einen Moment das Innere des Fahrzeugs. »Es dauert nicht lange, Junge«, erklärte sie und hämmerte die Tür wieder zu.
Johnny schaute ihr nach, wie sie durch die noch vorhandene Finsternis schritt und sehr bald verschwunden war.
Sie parkten in einer einsamen Gegend, geschützt durch die hohen Bäume eines Waldstücks. Johnny drehte an der Kurbel und sorgte dafür, daß die Scheibe nach unten glitt.
Er lauschte.
Von Morgana Layton war weder etwas zu sehen noch zu hören.
Wie ein Schatten hatte sie sich mit der Finsternis vereinigt, war eingetaucht und weg.
Der Junge blieb allein zurück. Er fühlte sich so verdammt einsam, die Stille zerrte an seinen Nerven. Das Gefühl, auf einer Insel zu hocken und von Gefahren umlagert zu sein, verstärkte sich zusehends. Er lauschte dem eigenen Herzschlag nach, dessen Echos durch sein Gehirn brandeten. Zwangsläufig stellte er sich die Frage, ob er wirklich alles richtig gemacht hatte. Würde ihn diese Frau tatsächlich zu Nadine führen oder war alles nur eine raffinierte Entführung gewesen, um seine Eltern zu erpressen?
Das konnte Johnny sich zwar nicht vorstellen, aber er schob die Möglichkeit auch nicht von sich.
Der Wagen stand so, daß Johnny in die östliche Richtung schauen konnte.
Dort tat sich etwas, denn da genau verlor der Himmel seine dunkle Farbe und bekam einen hellgrauen Streifen.
Morgendämmerung.
Wie lange sollt er noch auf Morgana warten? Eine Zeit hatte sie nicht angegeben. Allerdings war der Junge davon überzeugt, daß sie irgendwann zurückkehren würde. Sie mußte es, denn sie hatte mit ihm einiges vor.
Bisher war es still gewesen. Nur wenn der Wind altes Laub vor sich herschob, hatte Johnny das Rascheln gehört. Es war eins mit der Umgebung geworden.
Ab und zu bewegte er die Finger der rechten Hand. Sie sollten durch die unnatürliche Haltung nicht einschlafen.
Ein anderes Geräusch munterte ihn auf.
Er wußte zunächst nicht, wo er es hinstecken sollte. Es war ein Grunzen oder Schmatzen, als wäre ein Tier in seiner unmittelbaren Nähe damit beschäftigt, sich satt zu fressen. Dazwischen vernahm er ein Stöhnen, dann ein Heulen, und seine Furcht steigerte sich.
Er kannte sich einigermaßen aus und wußte auch über Werwölfe Bescheid. Schon mehr als einmal war er in diese Fallen gelaufen. Die neuen Geräusche deuteten auf einen Werwolf hin.
War Morgana eine derartige Bestie?
Der Gedanke daran regte ihn auf und bereitete ihm gleichzeitig ein schlimmes Unbehagen. Er mußte es wissen, es war wichtig, denn diese Bestien griffen Menschen an.
Johnny atmete heftig. Er wollte überall hinschauen, die Gegend mit seinen Blicken durchforsten, nur konnte er nichts entdecken, diese morgendliche Graue nahm ihm die Sicht.
Wo verbarg sich Morgana? Fast hätte er ihren Namen gerufen, bis ihm einfiel, daß dies der falsche Weg war. Er wollte sie nicht auf sich aufmerksam machen.
Johnnys Hände zitterten. Er kam sich vor wie ein Gefangener, der irgendwann abgeführt werden sollte. Wilde Vermutungen und Phantasien schossen ihm durch den Kopf. Er sah sich plötzlich in den Klauen einer Bestie, die gnadenlos zupackte und ihn zerriß…
Johnnys Atem ging heftig. Vor seinen Augen tanzte die Umgebung. Er war nicht mehr in der Lage, die einzelnen Dinge klar zu unterscheiden. Ihm fehlte die Erfahrung, und er hörte die Geräusche plötzlich aus nächster Nähe.
Johnny schrie leise auf, drehte den Kopf nach rechts, starrte in das Zwielicht und glaubte, dort einen Schatten zu sehen, der dicht über den Boden huschte.
Dann erklang das Heulen!
Nicht sehr laut, eher gedämpft, aber ungemein klagend, als würde jemand sein Schicksal bejammern.
Johnny bewegte sich nicht. Er saß starr auf seinem Sitz. Wie angefroren wirkte er dort. Die Augen geöffnet, ohne
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