0627 - Nadine und die Mörderwölfe
es gehört, das stimmt alles.«
»Was hast du gedacht?«
»Nichts, weil ich nichts denken konnte. Ich hatte einfach eine zu große Angst.«
»Rechnetest du damit, daß ich über dich kommen und dich zerfleischen würde?«
»Genau.«
»Dann hast du dich geirrt. Zumindest vorerst. Nein, ich habe dich mitgenommen, weil ich dich brauche.«
Johnny fiel zunächst ein Stein vom Herzen. »Wozu wirst du mich brauchen wollen?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Aber deine Freundin Nadine spielt dabei eine Rolle.«
Johnny nickte. »Du hast versprochen, mich zu ihr zu führen, Morgana. Gilt das noch?«
»Ich halte mein Versprechen.«
»Wann werden wir sie sehen?«
»Wenn es hell geworden ist. Ich spüre, daß sie noch nicht da ist, Junge. Wir müssen etwas warten. Ich glaube fest daran, daß alles in die richtigen Bahnen hineinläuft.«
Johnny stellte keine Fragen mehr. Er blickte stumm durch die Scheibe. Inzwischen war es so hell geworden, daß er seine Umgebung normal erkennen konnte.
Morgana Layton hatte das Fahrzeug nahe eines Waldrands abgestellt. Eine gute Deckung, denn auch der schmale Weg, der von der Straße abzweigte, endete hier.
»Hast du Hunger?« fragte sie und strich über ihren Handrücken, wo das Fell verschwunden war.
»Nein.«
»Es wäre auch schwer gewesen, für dich etwas zum Essen zu holen. Aber das ist nicht so wichtig. Dir geht es um Nadine.«
»Ihnen doch auch.«
»Klar.«
»Und weshalb? Sie ist bestimmt nicht Ihre Freundin, eher eine Feindin. Was also wollen Sie?«
Es war eine gute Frage gewesen, und Morgana mußte ziemlich lange über eine Antwort nachdenken. »Das ist schwer zu erklären, Johnny, sehr schwer sogar.«
»Ich warte.«
»Was sie vorhat, darf nicht geschehen, verstehst du das? Wir wollen nicht, daß sie wieder in ihre alte Gestalt zurückkehrt. Sie soll so bleiben.«
»Wer ist wir?«
»Fenris…«
»Der Götterwolf!«
Morgana zeigte sich überraschte »Ho, du kennst dich sehr gut aus, Junge. Mein Kompliment.«
»Ich hörte es von meinen Eltern.«
»Ach ja, ich vergaß.« Sie lächelte. »Auch deine Eltern werden dir jetzt nicht helfen können.«
Johnny hob die Schultern. In den vergangenen Sekunden war es wieder heiß in seine Kehle hochgestiegen, als von den Eltern die Rede gewesen war. Er wußte sehr gut, daß sie sich große Sorgen um ihn machten, und er selbst litt unter Vorwürfen, ihnen nicht Bescheid gegeben zu haben.
»Denkst du jetzt an John Sinclair?«
»Nein.«
Morgana amüsierte sich. »Bestimmt wäre dir der Gedanke an ihn gekommen, Johnny, ganz bestimmt sogar. Ich will dir etwas sagen. Auch er ist eine Größe in unserem Spiel.«
»Onkel John?«
»Ich rief ihn an.«
»Warum?«
Morgana lachte. »Das ist meine Sache.« Sie schaute auf die Uhr.
»Ich glaube, wir können allmählich starten.«
»Wohin?«
»Wir fahren zu einem Steinbruch. Dort wirst du eine sehr bekannte Freundin treffen.«
»Nadine also?«
»Johnny, du hast es erfaßt.« Sie lachte hart auf und ließ gleichzeitig den Motor an…
***
Obwohl Johnny Conolly nicht mehr an das Lenkrad gekettet war, fühlte er sich keineswegs sicherer oder wohler. Er hatte einiges erfahren und dachte daran, daß jemand, der soviel preisgab, sich seiner Sache mehr als sicher war.
Der Junge ahnte, daß einiges auf ihn zurollte. Er mußte sich nur davor hüten, daß es ihn nicht überrollte.
Sie fuhren durch die Gegend, die Johnny ebenfalls unbekannt war.
Waldreich, war das riesige Gelände. Es gab nur wenige Straßen, kaum Häuser und auch kaum Menschen.
Ein unheimliches Bild manchmal, denn Nebelschwaden stiegen wie große Dampfwolken aus den Feuchtgebieten in die Höhe und verteilten sich als lange Bahnen.
Es war Samstag. Der Verkehr hielt sich in entsprechenden Grenzen. Ab und zu kamen ihnen Fahrzeuge entgegen, sie überholten auch andere Autos, dann bog die Frau auf eine schmale Straße ab, die geradewegs in ein urwüchsiges Gelände hineinführte.
»Ist der Steinbruch denn leer?« wollte Johnny wissen.
»Nein. Es wird dort auch am Samstag gearbeitet. Das weiß ich. Man will die letzten Reste so schnell wie möglich entfernen. Da soll wieder aufgeforstet werden.«
Morgana sprach wie eine normale Frau, was den Jungen sehr wunderte. Er konnte sich kaum vorstellen, es hier mit einer gefährlichen Bestie zu tun zu haben.
Er versuchte, nicht mehr an sein eigenes Schicksal zu denken, sondern an das der Nadine Berger. Die Wölfin war verschwunden, sie hatte sich für John Sinclair geopfert,
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