0627 - Nadine und die Mörderwölfe
den Vergleich zu früher anstellte. Ein Loch, mehr nicht, ohne Leben, alles war leer, einfach tot.
Johnnys Gedanken irrten ab. Er würde nie mehr die Wölfin in seinen Armen halten. Er würde nie mehr mit seinen Händen durch das Fell streifen und dessen Wärme spüren, nie mehr würde sie neben oder manchmal sogar auf seinem Bett liegen, als ein Wächter in der Nacht, der ihn vor Gefahren beschützte.
Die Welt war für ihn anders geworden, ganz anders, aber bestimmt nicht besser.
Johnny wußte das. Sein Mund zuckte, die Haut auf den Wangen bewegte sich ebenfalls. Die Augen brannten, Teile seines Gesichts waren naß geworden.
Nie mehr!
Diese beiden Worte brannten sich bei ihm fest. Der Hals saß zu, er hatte Mühe, tief durchzuatmen, und er kam sich vor, wie der Realität entronnen.
Neben Nadine hockte er auf dem kühlen Boden, den Blick ins Leere gerichtet, den Kopf voller Gedanken, ohne daß es ihm gelang, diese wirklich zu ordnen.
Es war vorbei.
Eine lange, eine gefährliche, aber auch eine schöne Zeit war einfach dahin.
Hinter ihm bewegte sich Morgana Layton einen halben Schritt nach rechts, so daß sie neben ihm stand. Sie beugte sich vor. Das lange Haar fiel dabei gegen ihr Gesicht.
»Na, Johnny?«
Er sprach kein Wort. Er wollte einfach nicht reden. In ihm war es so leer, und er dachte in diesen Momenten auch nicht an seine Eltern, die sich bestimmt Sorgen machten.
»Das war einschneidend, Junge, für dich und auch für die anderen. Die Karten sind neu gemischt worden, und ich werde dafür sorgen, daß man sie anders verteilt. Nichts ist mehr so wie früher. Nadine hat es geschafft, wir konnten es nicht verhindern, aber wir werden dafür Sorge tragen, daß die Folgen begrenzt bleiben. Nadine hat einfach zu viel erfahren, so etwas können wir nicht hinnehmen. Fenris und ich haben uns zusammengeschlossen. Wir sind gegen sie eingestellt, mein Freund, auch wenn unser Plan nicht ganz gelungen ist.« Sie griff wieder zu. Johnny spürte den Druck an seiner rechten Schulter.
Dann zog sie ihn hoch.
Erst jetzt stellte Johnny fest, welch eine Kraft in dieser Frau steckte.
Er war kein Leichtgewicht, sie aber zog ihn auf die Beine, als wäre er eine Feder.
Der Junge ließ sich willig wegführen. Er war sogar froh darüber, denn so wurde ihm der Anblick der toten Wölfin erspart.
Morgana Layton lehnte ihn gegen einen Baumstamm. »Wie gesagt, die Karten sind neu gemischt worden. Es beginnt ein anderes Spiel. Heute ist der Startschuß dazu gefallen. Ich hoffe, du wirst es dir hinter die Ohren schreiben. Und noch eins. Du spielst darin eine wichtige Rolle. Deshalb werden wir noch für eine Weile zusammenbleiben. Ich sehe dich als einen Ersatz an für Nadine.«
»Was wollen Sie denn?« Die Stimme des jungen Conolly klang verzweifelt. »Bitte, sagen Sie es!«
»Es gibt eben einige Menschen, die ich hasse. Zu ihnen gehören John Sinclair und deine Eltern. Auch an ihnen müssen wir ein Exempel statuieren. Sie spielen in unseren Überlegungen eine sehr große Rolle, das kannst du mir glauben.«
»Wie soll ich…?«
»Nichts, Johnny, du sollst gar nichts machen.« Die Frau tippte gegen ihre Stirn und ließ den Finger dort. »Ich kenne Sinclair lange, ich kenne auch deine Eltern. Sie sind alle nicht dumm, sie wissen genau, wie sie vorgehen müssen. Sie können denken und nachdenken, und sie werden zu einem Entschluß kommen.«
»Zu welchem denn?«
»Ganz einfach, Junge. Du bist der Lockvogel für Sinclair und deine Eltern. Der Kadaver ist der Lockvogel für Nadine Berger. So kommt alles in die Reihe.«
Johnny begriff. »Sie… sie sollen herkommen?« fragte er mit leiser Stimme.
Morgana Layton nickte. »Ja, mein Freund, sie sollen zu uns kommen, denn hier werden wir sie erwarten…«
Johnny bekam eine Gänsehaut und fröstelte wie im tiefsten Winter…
***
Wir waren bei den Conollys! Nicht daß ich oder Suko darauf gedrängt hätten, nein, Nadine hatte es so gewollt und darum gebeten.
Es mußte ja einmal sein, daran ging kein Weg vorbei.
Wir standen im Wohnraum, und wir kamen uns alle vor, als wären wir fremd.
Es wagte niemand, sich hinzusetzen. So trübe wie der Tag war auch unsere Stimmung.
Ich hatte mich neben Nadine Berger gestellt, um ihr zu dokumentieren, daß ich sie nicht im Regen lassen würde, falls irgendwelche Vorwürfe gegen sie ausgesprochen wurden.
Suko hielt sich etwas im Hintergrund. Er sah dies wohl als eine reine »Familienangelegenheit«.
Wir sagten nichts, wir schauten uns an.
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