0627 - Tanz der Kobra
übernommen, und erst, wenn die neunzig Tage vorbei sind…«
»Du kannst sie doch schon vorher in ihre Freiheit entlassen«, sagte Belani.
»Was sollen dann die anderen Schlangen denken?« fragte er.
»Und was denken sie jetzt? Da ist eine von uns, denken sie, die hier nur schmarotzt und nicht für uns alle arbeitet. Das denken die Schlangen, Andra.«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich glaube eher, daß sie nichts mit der Messing-Kobra zu tun haben wollen. Sie spüren, wie bösartig sie ist.«
»Dann laß sie doch wieder frei.«
»Das kann ich nicht«, gestand Andra.
Belani seufzte. »Schon wieder kannst du etwas nicht… Ich glaube, wir sollten uns einmal im gesamten Familienkreis unterhalten. Andra, hast du ein Problem?«
»Das Problem bist du«, fuhr er sie an, zuckte aber sofort zurück. »Verzeih, Belani. Das wollte ich nicht sagen. Das habe ich nicht gemeint. Ich… ich möchte nur in Ruhe gelassen werden, verstehst du? Ich begreife selbst nicht, was mit dieser Schlange ist. Ich suche noch nach einer Antwort. Vielleicht finde ich sie bald.«
»Oder gar nicht. Laß mich dir helfen.«
Er schüttelte den Kopf.
»Nein. Es ist besser, wenn du dich von der Messing-Kobra fernhältst. Ihr alle solltet euch von ihr fernhalten. Ich weiß nicht, was sie plant, warum sie zu uns gekommen ist. Aber es ist sicher nichts Gutes.«
»Zu uns gekommen? Andra, sie ist nicht zu uns gekommen, sondern du hast sie von der Jagd mitgebracht.«
»Sie kam zu mir«, verbesserte er sich. »Ich wünschte wirklich, ich könnte sie töten.«
»Das darfst du nicht mal denken. Eine Schlange töten… Shiva würde dich dafür schwer bestrafen, und uns alle mit. Wir sind keine Mörder. Wir sind Freunde der Schlangen, und wir sind Shivas Freunde. Vergiß das nie, Andra.«
Er sah lange in die Abenddämmerung.
»Morgen ziehen wir weiter«, sagte er. »So weit, wie wir noch nie auf einmal gezogen sind. Ich will so weit von hier fort, wie es eben möglich ist. Ich habe Angst, daß etwas Schlimmes geschieht, wenn wir in dieser Gegend bleiben, wo… wo sie zu Hause ist.« Er deutete auf den Korb der Messing-Kobra.
Er erhob sich und schritt davon, zum Feuer, wo die anderen feierten.
Die Schlangenfütterung war längst vorbei.
Und eine Kobra hungerte nach Seelen.
***
»Tegore?« stieß Zamorra überrascht hervor. »Rabindra ist ein Männername.«
»Namen sind Schall und Rauch«, erwiderte die Frau. »Können wir jetzt gehen? Bestimmen Sie, was an Gepäck Sie mitnehmen wollen.«
»Moment«, sagte er. »Ich glaube Ihnen kein Wort, Memsahib. Es heißt, Rabindra Tegore sei mit jemandem gegangen, der sich als Zamorra ausgab. Jetzt behaupten Sie, Rabindra Tegore zu sein. Beweisen Sie es.«
Sie lachte und wandte sich dem Wasser zu. »Krokodile, beweist, daß ihr hungrig seid! Wasser, beweise, daß du naß bist!« Ein Blick zum Wald. »Baum, beweise, daß du Blätter trägst. Dieser Mensch verlangt nach Beweisen.«
»Na schön, das war’s dann«, sagte Zamorra. Seine rechte Hand schwebte in der Höhe der Strahlwaffe am Gürtel seiner Shorts, und wachsam beobachtete er die beiden Turbanträger. »Dumme Sprüche kann ich mir selbst erzählen. Gehen Sie ruhig weiter und über die Brücke, ehe die Nacht kommt. Wir kommen hier schon allein klar.«
»Wie Sie wollen, Professor Zamorra. Ihre Telefonnummer im Château Montagne lautet…« Sie rasselte die Zahlenkolonne nebst Auslandsvorwahl auswendig herunter.
»Ach, jetzt möchten Sie doch etwas beweisen? Einen guten Tag wünsche ich noch.« Zamorra nickte Nicole zu und zog sich rückwärts gehend in Richtung Geländewagen zurück. Dabei löste er den Blaster von der Magnetplatte, hielt ihn allerdings nur locker in der Hand, die Mündung nach unten gerichtet.
Auch Nicole wich zurück.
»Ich kann ihre Gedanken nicht lesen«, flüsterte sie auf russisch. »Nur die ihrer Begleiter. Sie ist Rabindra Tegore. Zumindest in den Gedanken der beiden Männer.«
Zamorra nickte.
Die Frau lächelte, verneigte sich wieder mit gefalteten Händen und schritt davon. Die beiden Turbanträger folgten ihr, ohne sich noch einmal nach Zamorra und Nicole umzusehen. Aber Zamorra hatte das Gefühl, daß sie trotzdem irgendwie alles sahen, was hinter ihnen vorging…
»Das Amulett hat reagiert«, sagte er, als die drei seltsamen Gestalten außer Hörweite waren. »Ganz schwach nur, und irgendwie nicht wie gegen einen Dämon. Aber da war irgend etwas. Eine Art von Magie, die…«
Er zuckte mit den Schultern. »Die
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