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0627 - Tanz der Kobra

0627 - Tanz der Kobra

Titel: 0627 - Tanz der Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Zelte aufzuschlagen und eine Vorstellung zu geben. Selbst in Andras Augen war das närrisch, aber in ihm war eine seltsame Furcht, die ihn vorantrieb.
    Mittlerweile hatten sie eine überraschend massive Brücke benutzt, um den Oberlauf des Ganga zu überqueren. Nur ein paar Kilometer dahinter befand sich das Dorf, das sie jetzt erreicht hatten.
    Auch die anderen waren ungeduldig. Und die Tankanzeige wies darauf hin, daß bald nachgefüllt werden mußte. Reservekanister besaßen sie nicht. Deshalb gab Andra jetzt nach; er sah, daß am anderen Ende des Dorfes eine Zapfsäule neben einem großen zylindrischen Tankbehälter stand.
    Beianis Augen glitzerten seltsam.
    Rahan ließ den Wagen neben der Zapfsäule ausrollen. Ein kleiner Junge tauchte auf. »Volltanken?« erkundigte er sich hoffnungsvoll.
    Andra stieg aus und nickte ihm zu. Er zeigte dem Jungen, wo der Einfüllstutzen des Autotanks war, und ging dann ein paar Schritte zurück, die Straße entlang zwischen den wenigen kleinen Häusern des Dorfes. Zwei Rinder lagen wiederkäuend am Wegrand, hatten die Staubwolke in stoischer Ruhe über sich ergehen lassen, die der Wagen hinter sich her zog. Unwillkürlich lächelte Andra, als er daran dachte, welche seltsamen Vorstellungen die Menschen anderer Länder scheinbar über ›die Inder und ihre Heiligen Kühe‹ hatten. Das Rad der Wiedergeburt konnte die Seele eines Menschen, der durch ein schlecht geführtes Leben abgestuft wurde, in jedem Tier reinkarnieren, nicht nur in einem Rindvieh. Irgend jemand hatte von Anfang an etwas mißverstanden, und die Zivilisiertem waren nur zu gern geneigt, vereinfachendes Dummgeschwätz zu übernehmen, statt sich richtig zu informieren und zu begreifen.
    ›Heilig‹ in dem Sinn, wie es die Abendländler verstanden, waren die Kühe gewiß nicht. Heilig war das Leben in jeder beliebigen Form.
    Selbst ein Stein konnte Leben in sich tragen, wenn die Seele eines sündigen Menschen die tiefste Stufe des Rades der Wiedergeburt erreicht hatte. Immerhin - ein Stein konnte keine schlechten Taten begehen, und damit war die Chance groß, daß diese Seele nach dem Tod des Steines in ihrer nächsten Inkarnation wieder eine höhere Stufe erklimmen konnte.
    Auch Rahan, Belani und die anderen waren ausgestiegen. Der Enge des Wagens entkommen, streckten und reckten sie sich.
    Es war, wußte Andra, eine ungünstige Tageszeit. Jetzt waren alle Erwachsenen und auch die Halbwüchsigen auf den Feldern. Nur ein paar Uralte, die nicht mehr arbeiten konnten, befanden sich noch im Dorf, und die kleineren Kinder, die noch nicht mitarbeiten mußten. Eine Ausnahme war der Junge, der die provisorische Tankstelle betreute - das war eben seine Arbeit.
    Mit den Uralten wollte er nicht über eine Vorstellung reden.
    Aber es war gut, einfach so mit ihnen zu plaudern. Es vertrieb die Zeit bis zu den Mittagsstunden, in denen die anderen zurückkehrten, um die größte Hitze abzuwarten und danach noch einmal ein paar Kleinigkeiten zu erledigen.
    Deshalb sah er nicht, was geschah, während Rahan dem Jungen an der Zapfsäule die verlangten Rupien für den Dieseltreibstoff gab.
    Er sah nicht, wie Belani die Hecktür des Kombis öffnete und sich kurz über den Korb beugte, in dem zeitweise die Messing-Kobra gewesen war, und dann die Tür wieder schloß. Wie sie sich dann niederkauerte, nur für einen Moment, als habe sie etwas auf dem Boden verloren und suche jetzt danach.
    Er sah auch nicht, wie eine Messing-Kobra davonkroch, unter dem Wagen hindurch und aus der Sichtweite der Menschen.
    Er war immer noch ahnungslos.
    Aber die seltsame Unruhe, die ihn plagte, seit er kürzlich die Messing-Kobra gefangen hatte, war mit einem Mal wieder da, ohne daß er einen Grund dafür wußte.
    ***
    Nicole trug den Packsack schon weit länger als nur die angedrohten 50 Meter. So schwer war er schließlich nicht, und sie hatte sich noch nie vor Arbeit gedrückt. Sie sah es als selbstverständlich an, für gleiche Rechte auch gleiche Pflichten auf sich nehmen zu müssen. Deshalb wehrte sie nach einer halben Stunde auch Zamorra ab, als er ihr das Gepäckstück abnehmen wollte.
    »Der nächste Ort kann nicht mehr sehr weit entfernt sein«, sagte sie. »Tegore ist mit ihren Begleitern garantiert nicht noch eine Ewigkeit lang durch die Nacht marschiert. Außerdem ergäbe eine solche Hängebrücke wie unsere keinen Sinn, wenn die Orte, die sie verbindet, zu weit auseinander lägen. Dann wäre eine Isolierung beider Dörfer logischer.«
    Zamorra

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