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0628 - Die Geister vom Leichenbaum

0628 - Die Geister vom Leichenbaum

Titel: 0628 - Die Geister vom Leichenbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Ich hatte auf den Alkohol verzichtet.
    »Wirklich ein Freund?«
    »Wir kennen uns von früher. Da war er noch verheiratet. War eine starke Zeit damals.«
    Jedenfalls hatte Sir Edgar Brake in diesem Fall nicht gelogen. Sir James war tatsächlich einmal verheiratet gewesen, und zwar mit einer schillernden Persönlichkeit, die sich Lady Kassandra nannte.
    »Sie sehen, Sinclair, ich weiß Bescheid.«
    »Scheint mir auch so.«
    »Aber lassen wir die Vergangenheit ruhen und konzentrieren wir uns auf die Gegenwart. Ich bin traurig, daß Halifax hinter den Mauern einer psychiatrischen Klinik hockt. Können Sie sich das vorstellen? Ich habe ihn als meinen Nachfolger gesehen, wollte ihn aufbauen, ihn in Geschäfte einweihen, ihm bestimmte Methoden nahebringen…«
    »Ohne daß Sie ihn gekannt haben?« wunderte ich mich.
    »Was heißt gekannt? Ich habe es als nicht schlecht empfunden, daß er in der Welt war und sich die Hörner abgestoßen hat. Das können Sie mir glauben.«
    »Jeder hat so seine Methoden.«
    »Richtig.« Sir Edgars Blicke verlor sich. »Wer konnte denn auch ahnen, daß er durchdrehte? Er kam und tobte, er schrie, er war völlig von der Rolle.«
    »Und weiter?«
    »Nichts, sie lieferten ihn ein. Selbst ich bekam ihn nicht frei. Er… er scheint besessen zu sein. Von einem Dämon geknechtet, das habe ich alles nicht kommen sehen. Von blauen Geistern und Totenköpfen hat er gesprochen. Er war durcheinander, selbst die Wärter bekamen vor ihm Angst. In eine Zwangsjacke haben sie ihn gesteckt und gefüttert wie ein kleines Kind. Das ist schon schlimm.«
    »Kann er nicht auch normal wahnsinnig geworden sein?« erkundigte ich mich.
    Der Mann lachte und trank sein Glas leer. »Was heißt normal wahnsinnig, Sinclair?«
    »Wie ich es sagte. Ohne einen magischen Einfluß. Ich würde das nicht so weit wegschieben.«
    »Nein, auf keinen Fall. Das kam urplötzlich.« Er winkte ab. »Aus unserer Familie ist keiner wahnsinnig.«
    Es war eine sehr subjektive Meinung, wie ich fand. Nur sagte ich ihm das nicht.
    Ich wollte sowieso alles auf mich zukommen lassen, erst mit dem Mann reden und mir dann ein Bild machen. Es hatte keinen Sinn, wenn ich auf das Gerede meines Gegenübers hörte.
    Wir rollten durch eine sehr ruhige Gegend. Waldreich, etwas hügelig, ein Gebiet zum Erholen.
    Sir Edgar Brake hatte meine Blicke gesehen und die Gedanken erraten. »Tja, mein Lieber, hier ist an den Wochenenden im Sommer Betrieb. Da fallen die Wanderclubs in die Natur und sind nicht mehr zu stoppen. Wie oft mußte ich schon Leute abwimmeln, die mein Anwesen besichtigen wollten.«
    Ich wechselte das Thema. »Müssen wir eigentlich bis in den Ort hineinfahren?«
    Er schüttelte den Kopf und streckte die Beine aus. Es war Platz genug da. »Nein, die Anstalt liegt außerhalb und ist von einem Park umgeben.« Er lachte plötzlich. »Da hat sich noch keiner hin verirrt, Sinclair. Sie haben auch Schilder aufgestellt.«
    »Gibt es auch Mauern?«
    »Nur einen hohen Gitterzaun mit Lanzenspitzen. Aber der reicht, um Menschen von einer Flucht abzuhalten. Sie würden Gefahr laufen, sich selbst aufzuspießen.«
    In einem weiten Linksbogen führte die Straße auf die kleine Stadt in der Nähe zu. Wir aber rollten, einem Hinweisschild folgend, nach rechts. Wieder hinein in die Landschaft, wo Nadelbäume das dünne Licht der Sonne tranken, die plötzlich am Himmel erschienen war. Sie hatte sich in eine Lücke zwischen zwei Wolken gedrängt und ließ etwas von dem auf der Lauer liegenden Frühling ahnen, wobei ich den Winter vermißt hatte, zumindest den Frost und den Schnee.
    Ich schaute durch die getönten Scheiben. Nicht weit entfernt und tiefer liegend wand sich bleigrau ein schmaler Fluß durch die Landschaft. Am Ufer hockten einige Angler. In ihrer bewegungslosen Ruhe wirkten sie wie hingesetzte Figuren.
    Der Fluß verschwand aus meinem Blickfeld. Dafür erschienen grell beschriftete Schilder, die einfach nicht übersehen werden konnten. Sie zeigten den Weg zur Klinik, die wir wenig später erreichten.
    Obwohl eingebettet in die Natur, gefiel sie mir überhaupt nicht. Das alte Haus wirkte auf mich abstoßend. Wer hinter diesen grauen Mauern sein Dasein fristete, konnte auch als gesunder Mensch schwermütig werden. An der Westseite lehnte ein Gerüst. Handwerker waren dabei, das Dach zu flicken, von dem einiges während des Sturms weggeflogen war.
    Der Parkplatz war als vorn offenes Karree angelegt worden. Unser Fahrer ließ den Rolls dort ausrollen und

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