063 - Das Rätsel der Insel
aus Eisen. Auf ihren Köpfen thronten Helme, die von dickem Pelz gesäumt waren. Sie alle hatten strenge asiatische Züge, aus denen sie die beiden Eindringlinge grimmig anblickten. In ihren Händen hielten sie kurze Bogen, die sie schussbereit angelegt hatten.
Eigentlich hätten sich Aruula und Aiko darüber freuen müssen, endlich auf die Bewohner der Burg gestoßen zu sein. Angesichts der auf sie gerichteten Waffen hielt sich ihre Begeisterung allerdings in engen Grenzen.
Aruula gab einen Schrei der Entrüstung von sich und hob ihr Schwert - worauf die Schützen die Sehnen ihrer Bogen noch ein wenig weiter zurück zogen.
»Hat keinen Zweck, Aruula«, raunte Aiko ihr zu. »Ehe wir auch nur bei ihnen sind, haben sie uns schon mit Pfeilen gespickt. Außerdem könnten diese Kerle wissen, wo Matt ist.«
Letzeres war ein Argument, das die junge Frau überzeugte.
»Okee«, willigte sie ein. Sie blitzte die Bogenschützen feindselig an und ließ dann ihr Schwert fallen, sodass es laut klirrend auf dem Boden landete. »Wir ergeben uns, hört ihr?!«, rief sie den Kriegern zu, die jedoch nicht reagierten.
Erst als Aiko den Tragegurt seiner Tak 02 von der Schulter gleiten ließ und die Waffe zu Boden legte, kam Leben in die Krieger. Während einige von ihnen weiter mit ihren Bogen sicherten, traten andere vor und entwaffneten die beiden Eindringlinge.
Dann nahmen sie sie in ihre Mitte und eskortierten sie in einen der Gänge, einem Ungewissen Schicksal entgegen…
***
Matt folgte dem geheimnisvollen Mongolen durch die Gänge und Stollen der Festung. Tageslicht hatte er schon seit Stunden nicht mehr zu sehen bekommen, was ihn allmählich depressiv machte.
Nicht zum ersten Mal fragte er sich, was aus seinen Freunden geworden war. Gewiss suchten sie nach ihm. Hatten sie ebenfalls Gesellschaft bekommen?
Matt hasste es, von Aruula getrennt zu sein. Es rief Erinnerungen an damals in ihm wach, als sie einander verloren hatten und er allein und als Sklave die Überfahrt nach Amerika antreten musste. Aruula inmitten des Chaos, das in dieser neuen, aus den Fugen geratenen Welt herrschte, wiederzufinden, hatte an ein Wunder gegrenzt. Und Matt wollte sein Glück nicht ein zweites Mal herausfordern…
»Und du bist dir sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind?«, fragte Matt, dem ein Gang so vorkam wie der andere.
»Der Weg ist ohne Bedeutung. Nur das Ziel ist wichtig«, entgegnete sein Führer kryptisch.
»Ja, ja, ich weiß: Der Weg ist das Ziel«, brummte Matt. »Den Spruch hab ich noch nie leiden können. Wann werden wir bei meinen Freunden sein?«
»Du bist ungeduldig«, stellte der Mongole fest. »Du wirst noch viel lernen müssen.«
»Lernen?« Matt hob die Brauen. »Wovon redest du?«
»Ich spreche von Zeit, mein Freund. Zeit, so viel du willst.«
»Hör mal«, schnaubte Matt, »ich weiß nicht, was du hier für eine Show abziehst. Ich will nur möglichst bald bei meinen Freunden sein, capisci?«
»Natürlich.«
»Also - kannst du mir dabei helfen oder nicht?« Es mochte nicht unbedingt die feine englische Art sein, aber er hatte das Durch-endlose-Gänge-laufen satt bis zur Halskrause.
»Ich habe dir gesagt, dass ich dich führen werde«, kam die Antwort seelenruhig, »und genau das werde ich auch tun. Du wirst auf alle deine Fragen Antwort erhalten.«
Der Mongolenfürst setzte seinen Weg durch das dunkle Labyrinth fort, und Matt blieb keine andere Wahl, als ihm zu folgen.
Wieder hörte er die innere Stimme, die ihn warnte - und nicht zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass sich die Gänge hinter ihm veränderten, kaum dass er sie durchschritten hatte…
***
Zur Zeit des Großes Eises
Es war ein langer Marsch gewesen. Kanghai Khan war der Erschöpfung nahe, als er das Ende der Treppe erreichte. Er konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten.
Schon der Marsch durch Schnee und Eis hatte den Anführer der Mogoolen-Expedition ausgezehrt. Dass er es überhaupt geschafft hatte, sich so lange aufrecht zu halten und der Treppe zu folgen, hatte an dem Licht gelegen, das ihn gelockt hatte.
Das Licht der Götter…
Je tiefer Kanghai Khan gekommen war, desto intensiver war es geworden, und desto mehr war seine Zuversicht gewachsen, dass er gleich am Ziel seiner Reise sein würde. Der innere Triumph, den er dabei empfand, hatte ihm Kraft gegeben.
Nicht Batai und all jene, die an ihm gezweifelt hatten, sondern er hatte am Ende Recht behalten. Und jetzt würde er die Belohnung der Götter dafür erhalten.
Ein
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