063 - Das Verrätertor
führte ihn in dem hübschen kleinen Haus herum. Die meisten Zimmer waren abgeschlossen, wie Graham feststellte. Es blieben ihm ein paar Schlafzimmer, die Wohn- und Eßräume und eine sogenannte Bibliothek, obwohl sie keine Bücher zu seinem eigenen Gebrauch enthielt. Der mürrische Gärtner benahm sich trotz seiner Wortkargheit respektvoll. Seine Frau sah gewöhnlich und unansehnlich aus. Aber sie erwies sich als ausgezeichnete Köchin, und Graham gab sich angenehmer Erwartungen hin. Der Rosengarten sah für einen Blumenliebhaber vielversprechend aus. Das Gelände dehnte sich weit bis zu einer Wildnis von Föhren und Büschen. Hinter den dichten Bäumen kam ein seltsames Gebäude zum Vorschein.
Es war ein viereckiger Steinturm, der sich bis zu einer Höhe von ungefähr zehn Metern erhob. Er hatte keine Fenster und wurde offenbar durch elektrisches Licht erhellt, denn er sah Drähte an der Mauer. An der einen Stelle befand sich eine Tür, die so klein war, daß er sich hätte bücken müssen, um einzutreten.
Wahrscheinlich irgendein Lagerhaus, dachte er und umschritt das Gebäude. Es waren keine anderen Türen zu sehen, und er kam zu der Vorderfront zurück, wo er den Gärtner fand, der ihn genau beobachtete.
»Was ist das?« fragte Graham.
Der Mann schaute auf den Turm, bevor er antwortete.
»Ein alter Kornspeicher«, sagte er. »Er wird heutzutage nicht mehr benützt.«
»Aber es gehen doch Lichtdrähte hinein«, sagte der andere.
»Licht muß sein. Es ist billiger, als wenn man Fenster durch die Mauer bricht.«
Es wurde weiter nichts darüber gesagt, und sie gingen zusammen ins Haus zurück. Graham vergaß den Steinturm. Später erst sollte er erfahren, welche Rolle er in dem Plan spielte.
»Hier ist der Schlüssel zu dem Pult«, sagte der Gärtner, als sie in die Bibliothek kamen. »Ich werde Ihnen eine Tasse Tee bringen.«
Er ging hinaus und schloß die Tür hinter sich. Graham schaute auf den kleinen Schlüssel in der Hand und wunderte sich über diese formelle Überlassung, denn man hatte ihm sonst keine Schlüssel gegeben. Dann kam ihm ein Gedanke. Er ging zu dem kleinen Eichenbüfett und sah, daß bis auf eine sämtliche Schubladen unverschlossen waren. Er steckte den Schlüssel hinein, zog das Fach auf und entdeckte einen großen, viereckigen Umschlag, der an ihn adressiert war. Außerdem lagen ein dickes Bündel starke, große Umschläge und drei Schlüssel darin. Der versiegelte Umschlag enthielt einen kleineren, in dem sich fünfundzwanzig Pfundnoten und ein mit Maschine geschriebenes Blatt Papier ohne Unterschrift und ohne Anrede befanden.
Die Kronengarage im Ort wird Ihnen einen Wagen vermieten, der Ihnen nützlich sein wird. Mawsey wird ihn für Sie einstellen. Morgen werden Sie am besten zu den »Drei Lustigen Matrosen« gehen, um dort mit Eli Boß bekannt zu werden, der Sie erwartet. Fahren Sie mit dem Wagen bis nach Greenwich, lassen Sie ihn dort stehen und nehmen Sie einen Autobus durch den Blackwall-Tunnel bis nach Poplar. Den Rest des Weges machen Sie zu Fuß. Besprechen Sie nichts mit EB, Sie sollen nur mit ihm in Fühlung kommen. Sie werden die Frucht nach Indien begleiten. Er wird Sie als Passagier mitnehmen und für Ihre Bequemlichkeit sorgen. Er hat Anweisung, es Ihnen an Bord angenehm zu machen, und Sie müssen ihm Ihre Wünsche mitteilen. Es ist notwendig, daß Sie eine Kabine haben, die von innen und außen verschlossen werden kann. Kaufen Sie das beste Schloß, das man für Geld haben kann, und geben Sie es ihm, aber nicht den Schlüssel. Ich habe veranlaßt, daß ein kleiner Geldschrank in Ihre Kabine eingebaut wird. E. B. denkt, Sie wollen Kokain schmuggeln. Er weiß nichts von der Frucht. Sobald Sie Einzelheiten der geplanten Operation kennen, schreiben Sie Ihre Bemerkungen dazu auf und legen dieselben in das Pult, wo Sie diesen Brief gefunden haben, der in Gegenwart Mawseys verbrannt werden muß.
Das war alles, und als Mawsey (dies schien der Name des Gärtners zu sein) die Tasse Tee hereinbrachte, hielt Graham den Brief über den Kamin, nahm ein Streichholz und zündete ihn an. Es wurde kein Wort gesprochen. Er vermutete, daß jeder Versuch, ein Gespräch zu beginnen, nutzlos wäre. Als Mawsey seinen Fuß auf die Asche setzte und sie zertrat, bildete sich Graham ein, daß dieser Mann von dem Inhalt des Briefes genausoviel wußte wie er.
»Wo liegt die Kneipe >Drei Lustige Matrosen« fragte er. Mawsey blickte auf und reinigte seine Füße sorgfältig mit einem
Weitere Kostenlose Bücher