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063 - Das Verrätertor

063 - Das Verrätertor

Titel: 063 - Das Verrätertor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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hing.
    »Er hat die portugiesische. Wenn er in diesem Land registriert wäre, würde man ihm nicht gestatten, aus der Themsemündung zu fahren.«
    Aber die >Pretty Anne< hatte unverkennbar auch ihre Vorzüge, wie Mrs. Ollorby jetzt erfahren sollte.
    »Sie kann zwölf Knoten in der Stunde laufen, und ich vermute, daß man sie bis auf fünfzehn treiben kann. Aber ich glaube nicht, daß der alte Eli soviel Geld für Kohle ausgibt«, sagte der Mann geschwätzig. »Ich habe noch niemals gehört oder gesehen, daß sie im Dock war, seitdem sie der Kapitän in Cornwall aufs Land geholt hat, um ein paar neue Platten einzusetzen. Die Kessel sind seit einer Woche nicht geheizt. Man sagt, daß der alte Eli jedes Stück Kohle zählt, das in die Feuerung geworfen wird. Der Kerl ist scharf.«
    Mrs. Ollorby gab ihm ein größeres Trinkgeld, als er jemals erwartet hatte. Als sie von der Werft kam, fand sie ein Telefonhäuschen und sprach mit ihrem Sohn.
    »Du mußt gleich hierherkommen, Hektor«, sagte sie. »Bringe dir einen Mantel mit, denn die Nächte sind kalt. Du mußt ein wenig Wachtposten für mich stehen. Und, Hektor, höre zu: In meinem Schlafzimmer hängt im Kleiderschrank ein Feldstecher, den bringst du mit.«
    Sie hängte den Hörer ein, wählte eine andere Nummer und diktierte ihrem wißbegierigen Polizeichef einen langen Bericht.
    »Haben Sie irgendeine Idee, worauf die Sache hinausläuft?« fragte er.
    Mrs. Ollorby zögerte.
    »Ich habe allerhand Vermutungen«, sagte sie vorsichtig, »aber ich möchte warten, bis ich Tatsachen melden kann.«
    Sie wartete fast eine Stunde lang, bis ihr Sohn kam, der sich heute besonders wichtig fühlte. Sie gab ihm genaue Instruktionen und ließ ihm Geld zurück für seine Verpflegung. Glücklicherweise konnte sie das Interesse des mitteilsamen Mannes erwecken und sicherte sich durch ein gutes Trinkgeld seine Hilfe. Er lungerte das ganze Jahr hindurch am Ufer herum und beobachtete den Strom. Diese Beschäftigung mußte ihm offenbar seinen Lebensunterhalt einbringen. Er fand sich gleich dazu bereit, mit Hektor zusammen den Dampfer im Auge zu behalten.
    »Ich vermute, Sie werden nicht viel sehen, Madam«, sagte er. »Vor einer Woche wird die >Pretty Anne< nicht den Fluß hinunterfahren. Einer der Kohlentrimmer hat es mir erzählt, und ich will schwören, daß sie noch keine Ladung an Bord hat. Der alte Eli heizt die Kessel nicht eher, als bis er Ladung genommen hat. Ich habe noch nie gesehen, daß das Schiff die Themse mit Ballast verließ.«
    »Ich kann ruhig ein oder zwei Wochen warten«, sagte Mrs. Ollorby vergnügt. Damit sprach sie die Wahrheit, denn sie hatte unendliche Geduld und Ausdauer.

8
    Ein großes Regiment hat große Traditionen, und eine dieser alten Traditionen der Berwick-Garde bezog sich auf die Auswahl der Offiziersfrauen. Kein Offizier durfte zum Beispiel eine Schauspielerin heiraten, so liebenswürdig, schön und berühmt sie auch sein mochte, wenn er im aktiven Dienst bleiben wollte.
    Bobby Longfellow war von John Ruislep, seinem Obersten, und dessen Gattin zum Dinner eingeladen worden. Er kehrte in etwas deprimierter Stimmung zu seiner Wohnung zurück. Denn obgleich der großzügige Kommandeur der Berwick-Garde bei der Auswahl der Offiziersfrauen eine tolerantere Auffassung vertrat, huldigte seine strenge Gattin den alten Traditionen.
    Trotz seiner Jugend hatte Bobby in weltlichen Dingen seine eigenen Ansichten. Die hohe Kommandeuse hatte eine Andeutung darüber fallen lassen, daß die jüngeren Offiziere des Regiments immer häufiger außerhalb ihrer Gesellschaftsklasse heirateten. Da sich diese Bemerkung anscheinend auf einen ganz bestimmten Offizier bezog, fühlte sich Bobby Longfellow nicht sehr wohl.
    »Man muß auf gute Familie halten, das ist die erste Bedingung für eine glückliche Ehe«, sagte die Obristin und spielte dabei mit dem großen Smaragdring, den sie am kleinen Finger trug. »Wenn eine junge Dame nicht von gutem altem Adel stammt, ist die Heirat von vornherein ein Fehler.«
    Die etwas hagere, aber sehr schöne Frau mit den schmalen Lippen war nie so bestimmt, als wenn sie an dem prachtvollen Smaragd drehte, für den ihr Finger fast zu klein war.
    Bobby ging einfach in Dicks Zimmer, stutzte aber, trat schnell zurück und klopfte. Dicks fröhliche Stimme bat ihn, einzutreten.
    »Du siehst aus wie Salomo in all seiner Herrlichkeit«, sagte Dick und sah seinen Kameraden in der Galauniform bewundernd an. »Du warst wohl eingeladen, Bobby?«
    Dick

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