063 - Das Verrätertor
obgleich man ihm in Somerset House alle Akten zugänglich gemacht hatte, konnte er keine Bestätigung dafür finden, an welchem Tag Hope Joyner geboren war. Es schien ihm nun die einfachste Sache von der Welt, den blinden Mr. Hallett zu fragen. Aber als die Stunde näher kam, verlor Bobby doch etwas von dem Unternehmungsgeist, den er zuerst hatte. Er äußerte seine Zweifel zu dem ersten seiner Detektive, einem melancholischen Menschen.
»Ich habe keinen Anknüpfungspunkt, das alte Lied«, sagte er verzweifelt. »Wie es dann weitergehen soll, weiß ich wohl.«
»Sie könnten sagen, daß Sie ein Freund der Familie sind«, sagte der andere. Bobby schüttelte den Kopf.
»Welcher Familie denn?« fragte er. »Es ist ja doch keine Familie da, deren Freund man sein könnte. Wenn es so wäre, würde ich doch nicht im ganzen Land nach dem Aufschluß suchen.«
»Warum wollen Sie nicht sagen, daß Sie ein Freund Hope Joyners sind?« sagte der Detektiv. Bobby war verärgert.
»Habe ich Ihnen denn nicht tausendmal erklärt, mein armer Junge«, sagte er gereizt, »daß Miss Joyners Name in dieser Sache überhaupt nicht erwähnt werden kann und daß niemand auch nur vermuten darf, daß ich mich mit ihren persönlichen Angelegenheiten befasse? Seien Sie doch vernünftig!«
Am Abend erreichte er Monk’s Chase und stieg an derselben Stelle aus dem Wagen, an der vor einer Woche Hope Joyner im strömenden Regen gestanden hatte. Die Pförtnerhaustür stand offen, in der Wohnung selbst schien niemand zu sein. Gemächlich ging er den Weg hinauf und läutete am Haupteingang. Einige Sekunden später öffnete sich die Tür geräuschlos, und ein alter Diener stand vor ihm.
»Mr. Hallett, Sir? Haben Sie eine Verabredung mit ihm?«
Bobby erklärte ihm sorgfältig, daß er keine Verabredung hätte, aber daß er eigens von London hergekommen wäre, um mit dem Besitzer von Monk’s Chase zu sprechen.
»Ich will einmal sehen«, sagte der Lakai und nötigte Bobby in einen kleinen Empfangsraum. Er ging hinaus, kam aber schon nach kurzer Zeit mit einer Entschuldigung zurück.
»Mr. Hallett fühlt sich nicht wohl«, sagte er, »und er bittet Sie, so liebenswürdig zu sein, ihm schriftlich Ihr Anliegen mitzuteilen. Er ist eben erst aus Paris zurückgekehrt und ist sehr ermüdet.«
»Kann ich ihn nicht wenigstens fünf Minuten lang sehen?« Dann schrieb er verzweifelt einen Namen auf ein Stück Papier, das er von einem kleinen Schreibtisch nahm, steckte es in einen Umschlag und übergab es dem Diener. »Bitte, überreichen Sie ihm diesen Brief.«
Der andere schüttelte den Kopf.
»Mr. Hallett ist blind, Sir. Sie wissen das wahrscheinlich nicht.«
Bobby war über seine eigene Dummheit aufgebracht.
»Hat er denn keinen Sekretär oder jemand, der ihm das vorlesen kann?«
»Es tut mir leid, er hat niemand«, sagte der Diener.
Hier stieß Bobby wieder gegen eine andere unüberwindliche Mauer. Die Tür schloß sich wieder hinter ihm. Er hatte nicht den geringsten Erfolg für alle seine Anstrengungen gehabt.
In unzufriedener Stimmung ging er die Zufahrtsstraße zurück, passierte das Pförtnerhaus und kam dann auf die Straße. Aber hier war ihm das Schicksal günstig. Vor seinem kleinen Auto stand ein alter Mann, der mit kindlicher Neugier die Figur auf dem Kühler betrachtete. Er war sehr alt und schaute ihn aus matten Augen an.
»Diese junge Dame sieht sehr kühl aus«, kicherte er. »Ich habe so etwas noch nicht in dieser Gegend gesehen.«
»Das glaube ich«, sagte Bobby. »Wie lange leben Sie denn schon hier?«
»Achtundneunzig Jahre«, antwortete er zittrig.
»Donnerwetter!« rief Bobby ehrlich erstaunt. »Da müssen Sie die Umgebung hier aber sehr gut kennen.«
»O ja«, sagte der alte Mann selbstzufrieden. »Ich erinnere mich an Monk’s Chase, als es noch der alte Lord Wilsome hatte.«
»Der jetzige Besitzer ist ein Mr. Hallett?« fragte Bobby interessiert.
»Ja«, sagte der Alte verächtlich. »Es ist mir so, als ob all dieser Aufruhr und Lärm erst gestern gewesen wäre. Er ist damals mit einer jungen Dame durchgebrannt, und ihr Vater kam sogar hierher, um ihn zu erschießen. Sie stammte aus einer sehr vornehmen, einflußreichen Familie.«
Bobby zitterte vor Aufregung.
»Wann war das?«
»Das war vor Jahren, als der Krieg in Afrika war. Mein Enkel verlor ein Bein und hat bis heute seine Pension. Ein hübscher Junge – «
Bobby unterbrach die Familienerinnerungen des Alten.
»Weiß sonst noch jemand etwas
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