063 - Das Verrätertor
Zeit – ich habe es eben gefühlt. Bedeutet das, daß du deinen Abschied nehmen mußt?«
»Ich werde das Regiment verlassen – sowieso«, begann er.
»Du sagst mir nicht die Wahrheit – sie verlangen es von dir, aber ich werde es nicht zugeben.«
Ihre Stimme war stark und ruhig, er hatte sie niemals ernster gesehen. Ihre ganze Haltung zeugte von dem Protest, den ihre Lippen aussprachen.
»Jetzt noch nicht, auf keinen Fall. Du mußt erst wissen, wer ich bin, Dick, in gutem oder in schlechtem Sinn. Ich glaube, Lady Cynthia hat recht – mehr recht, als wenn sie Einwände gegen die Aufnahme der Tochter eines Schornsteinfegers in das Regiment erhebt.«
»Ich werde die Armee verlassen«, sagte er hartnäckig. Aber sie schüttelte lächelnd den Kopf.
»Du glaubst nicht, wieviel Anstrengung es kostet, nein zu sagen, Dick«, sagte sie und blickte ihn mit ihren wundervollen Augen an. »Alles in mir sagt so laut ja, daß ich mich wundere, daß du es nicht hörst.«
»Aber Hope, ich brauche dich.« Er drückte ihre Hände. »Ich kann nicht ohne dich leben – nichts auf der ganzen Welt kann mich bestimmen, dich aufzugeben! Ich liebe dich! Mein ganzes Leben dreht sich nur noch um dich.«
Sie sagte langsam und verhalten: »Du brauchst mich nicht aufzugeben, Dick – « Im nächsten Augenblick lag sie in seinen Armen. Seine Wange ruhte an ihrem heißen Kopf, und er fühlte das Zittern und Beben des Körpers, der sich eng an ihn schmiegte.
Wenn Mr. Trayne eine Fahrt vorhatte, fuhr er rasch und schlug Wege ein, die selbst der schlaueste Detektiv nicht vorher ahnen konnte. Sein Auto war erstklassig, es konnte jeden Verfolger weit hinter sich lassen, und für die Polizei war es nutzlos, abseits liegende Stationen zu alarmieren, daß man ihn bis zu seinem Ziel verfolgen sollte. Auf so einem sonderbaren Weg fuhr er heute in der Dämmerung über Reading nach Cobham. Diana war schon angekommen und nippte an einer Tasse Kaffee, die ihr der neue Koch gebracht hatte, als er in das hübsche kleine Wohnzimmer trat. Er vergewisserte sich mit einem Blick ringsum, daß die Fenster geschlossen und die Vorhänge zugezogen waren. Dann warf er seinen Hut auf das Sofa und setzte sich nieder.
»Sind Sie mit dem Schneider zufrieden?« fragte er.
»Ja«, sagte Graham. »Er hat heute anprobiert.«
»Gut!« Er lächelte über Dianas ernstes Gesicht. »Sie haben einen Schrecken bekommen«, sagte er, »und ich weiß, warum. Graham hat Ihnen von dem Plan erzählt.«
»Ja, er sagte mir alles, was er weiß.«.
»Gut!« Er lachte leise wie über einen guten Witz. »Es handelt sich um das wenige, was er Ihnen gesagt hat – und um das wenige, das er nicht weiß. Deshalb sind Ihre Nerven am Ende, nicht wahr?«
»Trayne, diese Sache ist absolut unmöglich!« warf Graham ungeduldig ein. »Ich war gestern im Tower, um mir die Schatzkammer anzusehen und – es ist unmöglich! Es ist der wahnsinnigste Plan, der jemals ausgedacht wurde! Sie würden Stunden brauchen, um durch die Stahltüren zu kommen. Ich nehme an, Sie wissen, daß die Türen vor dem Eingang zu dem Raum armiert sind und daß jeder Riegel und Laden elektrische Kontakte hat. In dem Augenblick, in dem Sie versuchen, etwas zu berühren oder aufzuschneiden, würden in dem ganzen höllischen Tower die Glocken läuten!« Er schwieg außer Atem.
Trayne reagierte gar nicht darauf. Er war nur sichtlich belustigt.
»Ich weiß, daß Sie im Tower waren. Ich kann Ihnen die Nummer Ihrer Eintrittskarte sagen, den Namen des Aufsehers an der Kirche, und ich kann Ihnen auch Ihr Gespräch mit ihm erzählen. Das ist auch unmöglich, wie?« Seine scharfen Augen lagen forschend auf dem Gesicht Grahams. »Denken Sie denn«, sagte er langsam und nachdrücklich, »daß ich ein so vollkommener Idiot bin, daß ich dieses Wagnis unternehme – wenn es unmöglich auszuführen ist? Glauben Sie, ich weiß nicht ebenso wie Sie, daß armierte Türen vor jedem Eingang sind, daß es Alarmsignale an jedem Riegel und an jeder Platte gibt oder glauben Sie, Sie müssen mir erst diese Informationen geben?«
Der Sarkasmus in seinem Ton verwirrte Graham.
»Natürlich erwarte ich, daß Sie den Platz ausgekundschaftet haben – aber selbst dann – «
»Selbst dann denken Sie noch, sei es unmöglich? Wie lange vermuten Sie denn, daß ich an diesem Plan arbeite?«
Es war Diana, die die Antwort gab.
»Kishlastan ist sechs Monate im Land – «
»Kishlastan«, sagte er verächtlich. »Er ist weiter nichts als der
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