063 - Die Todesengel
sicher zu sein, daß heute nacht noch etwas Furchtbares passiert.“
„Und ich sage Ihnen, daß Sie in Sicherheit sind. Wessen Wort hat nun mehr Gewicht für Sie?“
Sie waren bei ihrem Bungalow angekommen.
„Ihres“, sagte sie. „Sie haben die seltene Gabe, einem das Gefühl von Sicherheit zu geben.“
Sie ließ ihn los, zögerte jedoch, zu ihrer Tür zu gehen, so daß Dorian vermutete, sie erwarte, von ihm zu sich eingeladen zu werden. Er dachte jedoch nicht daran, die Situation für sich auszunutzen. „Gute Nacht, Deborah! Und denken Sie daran, daß Ihr Schutzengel nebenan wohnt!“
„Gute Nacht, Dorian!“
Dorian war froh, zurück in seinem Bungalow zu sein. Die Teekränzchen bei den Schwestern gingen ihm langsam auf die Nerven. Die Schwestern waren in ihrer Fürsorglichkeit und Gastfreundschaft ja recht rührend, ihre Gäste dagegen ziemlich aufreibend.
Er schaltete das Deckenlicht und dann den Fernseher ein. Auf dem Bildschirm war eine düster beleuchtete Wohnung zu sehen, in der ein Mann mit dem Rücken zur Kamera vor einem TV-Gerät saß. Dorian fiel sogar auf, daß das TV-Gerät in dem Fernsehstück dasselbe Modell war wie seines, aber er nahm es nur unbewußt wahr.
Er ging zur Bar, wo das Schnapsfläschchen der Schwestern einsam zwischen den Gläsern stand, schraubte auf und setzte es an den Mund. Es fielen aber nur einige Tropfen auf seine Lippen. Dabei hätte er jetzt einen Drink verdammt nötig gehabt.
Deshalb ging er zur Gegensprechanlage, schaltete sie ein und sagte ins Mikrofon: „Eine Flasche Bourbon – mit Eis!“
Das war natürlich nur ein Scherz, und er hoffte, wenigstens den Pfleger, der Bereitschaftsdienst hatte, zu einer Entgegnung zu reizen, ihn vielleicht sogar in ein Gespräch zu verwickeln.
Aber er bekam keine Antwort.
„He!“ rief er ins Mikrofon.
Es meldete sich niemand.
Dorian wandte sich seufzend ab. Er kam fast um vor Langeweile. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, Deborah zu überreden, noch auf einen Sprung zu ihm zu kommen. Nur so, um ein wenig zu plaudern. Mehr wollte er nicht von ihr – zumindest nicht unter diesen Umständen.
Ein Blick auf den Bildschirm ließ ihn ahnen, daß es sich um eines der üblichen faden Fernsehstücke handelte: kein besonderer Aufwand, keine gute Kameraführung, kein Szenenwechsel. Der Mann saß noch immer mit dem Rücken zur Fernsehkamera und starrte auf sein TV-Gerät, auf dem sich folgende Szene abspielte: Ein Mann saß mit dem Rücken zum Betrachter und starrte auf ein Fernsehgerät.
Der Wunsch nach einem scharfen Drink war in Dorian inzwischen zu einem unstillbaren Verlangen geworden. Er überlegte, ob es zu aufdringlich sein würde, den Schwestern noch einen Besuch abzustatten und sie um einen Schnaps zu bitten. Sie hatten bestimmt noch welchen in Reserve, denn sie hatten Owen Grovers noch einen Schlummertrunk angeboten.
Kurz entschlossen schlüpfte Dorian in seinen Mantel, denn es war draußen schon empfindlich kühl geworden, und verließ seinen Bungalow. Auf dem Weg zu den Schwestern sah er, daß die meisten Patienten das Licht bereits gelöscht hatten. Nur hinter Deborah Ashtons Fenster war es noch hell. Auch in den beiden Bungalows der Schwestern war es bereits dunkel. Dorian klopfte dennoch an ihre Tür. Er wartete danach einige Sekunden und klopfte dann wieder. Drinnen rührte sich nichts. Er hob die Hand, um nochmals Klopfzeichen zu geben, doch dann überlegte er es sich anders. Wahrscheinlich waren die Schwestern bereits zu Bett gegangen. Da wollte er sie lieber nicht in ihrer Nachtruhe stören.
Dorian ging zurück zu seinem Bungalow, schloß die Tür hinter sich ab und hängte den Mantel in die Diele. Als er ins Wohnzimmer kam, stellte er mit einem Blick fest, daß auf dem Bildschirm des Fernsehers immer noch dieselbe Szene zu sehen war.
Das war allerhand! Und plötzlich stutzte er. Irgend etwas kam ihm an der Szenerie seltsam vor. Und während er noch auf den Bildschirm starrte, schien endlich etwas Bewegung in den Krimi zu kommen. Hinter dem Mann bewegte sich etwas. Und dann schob sich langsam eine Gestalt ins Blickfeld.
Dorian konzentrierte sich. Was war seltsam an der Szenerie, ja, ihm irgendwie vertraut vorgekommen? Da war der Fernseher, dasselbe Modell wie sein Gerät. Und die Einrichtung. Jawohl, das war es! Das Zimmer in dem Fernsehkrimi hatte dieselbe Einrichtung wie sein Wohnraum.
Dorian hielt unwillkürlich den Atem an, als sich die dunkle Gestalt dem ahnungslosen Mann näherte. Jetzt schien
Weitere Kostenlose Bücher