0630 - Das Tengu-Phantom
Crawford fragen.«
Wir warteten eine halbe Minute, bis das Summen erklang und wir die Tür aufdrücken konnten.
Eine große Halle nahm uns auf. Sie wirkte überhaupt nicht technisiert, denn wer relaxen wollte, der konnte dies in den weichen Sesseln aus Leder tun.
Musik empfing uns. Ich horchte kurz hin und erkannte Mozart als Komponisten.
Eine junge Frau kam uns entgegen, eine Japanerin. Weiße Bluse, schwarzer Rock, halblanges Haar und eine Brille mit dunklem Gestell.
So stellte man sich eine Dame vor, die als Chefsekretärin fungierte.
Die lächelnden roten Lippen wirkten in ihrem Gesicht wie nachträglich aufgemalt. Selbst das warme Licht der Beleuchtung konnte die Strenge nicht verscheuchen.
»Ich habe Dr. Crawford Bescheid gegeben, dass Sie eingetroffen sind. Er bittet Sie um Geduld.«
»Kommt er denn?«
»Bestimmt. Wenn Sie inzwischen Platz nehmen wollen. Kann ich Ihnen einen Tee anbieten?«
»Danke, nichts.«
Wir setzten uns so hin, dass wir die Tür und auch die gläserne Loge, wo der Aufpasser vor dem Monitor hockte, im Auge behalten konnten. So harrten wir der Dinge, die da kommen oder auch nicht kommen sollten. Man würde sehen.
Die junge Dame verschwand im Hintergrund. Dort tippte sie auf einer Maschine, die sehr leise arbeitete und schallgedämpft sein musste.
»Ich hoffe nicht, dass er Schwierigkeiten bekommen hat«, murmelte Suko. »Abwarten.«
Vorläufig tat sich nichts. Wir warteten, schauten gegen die mit Holz verkleidete Decke und hatten eigentlich nicht den Eindruck, in einer alten Schlosshalle zu hocken. Dafür hatte man sie zu modern renoviert.
Zu den oberen Etagen führte eine breite Treppe hoch. Die Tür eines Aufzugs sah ich nicht. Es war auch nicht zu hören, dass unterrichtet wurde. Eine schon beklemmende Stille hatte sich ausgebreitet.
Wenn jemand anrief und das Gespräch vom Portier in der Loge entgegengenommen wurde, war nicht mehr als ein Summen zu hören.
Als Belastung empfand ich die Stille zwar nicht, doch die Musik von Mozart hätte meinen Ohren gut getan. Leider war sie abgestellt worden.
Suko nahm den Gesprächsfaden wieder auf. »Ich frage mich, ob das hier die richtige Umgebung für einen Tengu ist.«
»Der braucht ja nicht in der Halle zu hocken. Schlösser haben Keller. Ich könnte mir vorstellen, dass es dort ein nettes Plätzchen auch für ihn gibt.«
»Und wer ist sein Chef?«
»Das möchte ich auch gern wissen.«
Gehört hatten wir Winston Crawford nicht. Er musste die Treppe lautlos herabgekommen sein. Es wirkte auf mich in seinem dunkelblauen Anzug wie verkleidet. Blütenweiß war das Hemd, die Krawatte zeigte ein dezentes Muster.
»Meine Berufskleidung«, erklärte er uns, weil wir so erstaunt blickten. »Man legt hier eben Wert darauf.«
»Bleiben wir hier?«, fragte ich.
»Nein, lassen Sie uns in mein Zimmer gehen.«
»Und Sie können Ihre Schüler allein lassen?«
Crawford lächelte schmal. Er sah noch immer sehr alt und geschafft aus. »Erstens sind meine Schüler erwachsen, und zweitens habe ich ihnen eine Aufgabe zur Lösung gegeben, die nicht einfach ist. So können wir uns unterhalten.«
»Wie hat man Sie aufgenommen?«
Er schaute mich an. »Ich habe den Eindruck, als wüsste jeder Bescheid. Das können wir in meinem Büro bereden, Gentlemen. Ich werde nicht abgehört. Entsprechende Schutzmaßnahmen habe ich selbst eingeleitet.«
»Ist das denn hier so üblich?«
Er lächelte säuerlich. »Man muss einfach mit allem rechnen.«
Die Stufen der Treppe waren breit, das Geländer ebenfalls. Ich konnte es nicht mit einer Faust umschließen. Ein Teppich schluckte das Geräusch unserer Schritte. Über uns zeigte die Decke einen warmen Beigeton, der auch blieb, als wir im zweiten Stockwerk einen breiten Gang betraten.
»Und wo genau unterrichten Sie?«, erkundigte sich Suko.
»Eine Etage tiefer. Dort sind die Klassenräume. Sie verteilen sich durch die entsprechenden Umbauten über die gesamte Fläche des Schlosses. Wir sind hochmodern eingerichtet. Allein unsere Computeranlagen sind ein Fest für entsprechende Freaks.«
»Gibt es sonst noch etwas Außergewöhnliches hier?«
»Sicher.« Crawford nickte zweimal. »Fitnessräume im Keller. Sauna, Solarium, einen großen Pool. Man hat an alles gedacht. Allerdings habe ich mich dort unten noch nicht aufgehalten. Ich habe immer das Gefühl, als Europäer unter den Japanern zu stören.«
»Die anderen Lehrkräfte stammen aus Japan?«
»Sicher.«
Er ließ uns eintreten. Ich wollte wissen,
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