0630 - Das Tengu-Phantom
Sie?«
»Sorry, Sie dürfen mich so etwas nicht fragen. Ich kann Ihnen keine Antwort geben.«
»Wollen Sie nicht?«
Crawford ballte die Hände. »Was fällt Ihnen ein, Inspektor, mir dieses zu unterstellen!«
»Es war nur eine Frage.«
»Ich war nie hier unten!«, erklärte Crawford trotzig. »Außerdem gehöre ich der Schule erst seit einigen Wochen an.«
»Lass gut sein, Suko«, sagte ich und wandte mich an unseren Führer. »Wo finden wir die Meditationsräume?«
»Da müssen Sie hier durchgehen.« Er deutete auf eine dunkelrot gestrichene Tür. »Dahinter liegen die Saunen, der Pool und auch Räume mit den Ruhebänken.«
Ich war schon auf dem Weg. Die Tür hatte eine Messingklinke, die ich drückte und mich darüber freute, dass ich die Tür lautlos öffnen konnte. Eine Sekunde später war es vorbei mit der Freude.
Denn was ich zu sehen bekam, hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet…
***
Der Tengu kroch durch den Stollen. Dass das Leder seiner Kleidung schmutzig wurde, störte ihn nicht. Jedenfalls hatte er gesehen, was er hatte sehen wollen.
Das gefiel ihm nicht.
Man war ihm auf der Spur, man würde kommen, man würde sein Versteck finden. Alles dies sollte nicht sein, es passte nicht zu den Regeln, die der Club aufgestellt hatte.
Der Tengu hörte sein Herz überlaut schlagen. Bei jedem Pumpen schien jemand mit einem Hammer in die Umgebung der Rippen zu dreschen. Sein Gesicht zeigte einen harten, bösen Ausdruck. Allein daran zu erkennen, wie es in den Augen funkelte.
Er hatte seinen Platz, sie brauchten ihn, sie wurden auf ihn eingeschworen, und er musste sich beeilen, um noch rechtzeitig dort zu sein. Im Stich lassen durfte er sie nicht, sie mussten ihn jeden Tag sehen.
Der Stollen wurde höher und breiter. Er konnte jetzt schneller gehen, beeilte sich noch mehr und sah das geheimnisvolle Licht an seinem Ende. Es kam ihm vor wie ein flimmerndes Leuchten aus dem Jenseits.
Der Tengu hetzte voran.
Nach wenigen langen Sätzen hatte er das Licht erreicht und wurde angezogen wie Eisen von einem Magneten.
Er fiel förmlich hinein. Tausend Gerüche, tausend Stimmen und tausend Kräfte umwehten ihn, bevor er eins wurde mit den Dingen und in Regungslosigkeit erstarrte…
***
»Was hast du?«, erkundigte sich Suko erstaunt und irritiert, als er mein blasses Gesicht sah.
Ich hatte nicht vermeiden können, dass sich eine Gänsehaut auf meinem Gesicht festsetzte. »Wir müssen uns überlegen, was wir tun sollen.«
»Rede schon, verflixt!«
»Ich habe den Eindruck, als wären hinter der Tür nur Tengus versammelt. Dabei sind es Ihre Schüler, Mr. Crawford.«
»Erzählen Sie doch keinen Unsinn, Sinclair. So etwas liebe ich überhaupt nicht.«
»Bestimmt nicht. Ich weiß jetzt, wo diese Schüler ihre Meditationsphasen verbringen und.. wie sie darauf eingeschworen werden, um einem bestimmten Ideal oder Idol zu dienen. Ihre Firma, Crawford, ist eine Brutstätte. Vielleicht sogar für Tengus.«
»Nein, Sinclair, nein!«
»Nicht so laut, Mann, kommen Sie!«
Auch Suko ging mit. So bewegten wir uns lautlos auf die Tür zu, die ich behutsam aufzog.
Ein etwa handlanger Spalt reichte uns für einen Überblick aus. Und der fiel verdammt übel aus.
Vor uns lag der Pool. Ein großes Rechteck, gefüllt mit türkisfarben schimmerndem Wasser.
Um den Pool herum, aber die gegenüberliegende Seite freilassend, saßen die Schüler und waren versunken in tiefste Meditation. Dabei hatte sie die Köpfe nicht gesenkt. Sie richteten sie auf die gegenüberliegende Wand, die sich von den anderen in einer drastischen Art und Weise unterschied, wie ich auch die Männer nicht als normal ansehen wollte, denn sie trugen allesamt die uniformierte Kleidung.
Blaue Hosen und weiße Hemden. Sie saßen am Rand des Pools wie Statuen, die Blicke einzig und allein auf das furchtbare Ziel gerichtet.
Auf den Tengu!
»John, das ist ein Traum?«, hörte ich Suko wispern und schüttelte als Antwort den Kopf.
Hinter uns zog sich Crawford zurück und gab Geräusche von sich, die an ein Glucksen erinnerten.
Der Inspektor schaute wieder hin und sah das gleiche furchtbare Bild wie ich.
Stand der Tengu in der Wand? War er mit ihr eins geworden? Es sah beinahe so aus, jedenfalls wirkte die Wand wie ein gewaltiges Bild oder der Zugang zu einer anderen Dimension. Das konnte ein transzendentales Tor sein.
Breitbeinig stand der maskierte Tengu da, hielt ein Messer in der Hand und wandte uns sein Profil zu. Er musste so
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