0630 - Minotaurus aus der Hölle
dem sie recht unsanft gelandet war, als das Auto um sie herum davongeglitten war… einfach verschwunden war wie ein Gespenst im Nebel…
»Nicole?« hörte sie Evas Stimme.
»Alles in Ordnung?« fragte sie zurück.
»Sehen wir so aus?« seufzte Eva. »Ist wohl die dümmste Frage, die ich je gehört habe. Was ist passiert?«
»Auch so 'ne hochintelligente Frage«, grinste Nicole und half Eva beim Aufstehen. »Sieht so aus, als wäre unser Auto nicht da, wo wir sind. Hattest du auch das Gefühl, es würde um dich herum weggleiten?«
»Und durch mich hindurch«, sagte Eva. »Ich dachte, ich werde verrückt. So was gibt es doch gar nicht. Wo sind wir hier?«
Nicole sah sich um.
»Keine Ahnung…«
Ringsum war diffuses Grau, unter ihnen ebenfalls grauer Boden, und darüber der dunkelrote Flammenhimmel, an dem eine gelbe Sonne glühte. »Kannst du Magie spüren?«
»Nein!« sagte Eva schroff. »Das konnte ich noch nie.«
Nicole zuckte mit den Schultern. Sie hatte ihre Frage falsch formuliert, korrigierte sie aber nicht. Natürlich konnte Eva die Magie nicht spüren, die sie in sich aufnahm! Es geschah einfach, ohne ihre direkte Kontrolle. Irgendwann wurde diese Magie dann wieder freigesetzt.
Allerdings war es ihr selten anzusehen, ob sie sich ›aufgeladen‹ hatte.
Eva wollte weiter reden, aber Nicole bat sie mit einer kurzen Handbewegung, erst einmal still zu bleiben. Sie mußte nachdenken. Was war passiert?
Das Auto war verschwunden…
Die ganze Landschaft ringsum war verschwunden und hatte einer anderen Platz gemacht…
Oder war es nicht eher anders herum? Waren nicht Eva und sie verschwunden aus der normalen Welt? Aus dem Auto herausgeholt und in eine andere Daseinssphäre versetzt? Dabei mußte es zu einer völligen Entmaterialisierung gekommen sein, denn sonst hätten sie nicht durch die feste Substanz des davonrollenden Fahrzeugs diffundieren können!
Vorsichtshalber tastete Nicole mit den Fingern nach ihren Armen und spürte feste Masse. Aber das konnte eine Täuschung der Sinne sein. Vielleicht existierte sie nicht wirklich, sondern war hier nur so etwas wie verfestigte Gedanken. Wer feste Körper entstofflichen konnte, konnte sicher auch aus Gedanken Materie werden lassen!
Aber wer steckte dahinter?
Dem unsichtbaren Werwolf von Exeter traute sie das nicht zu. Über die Unsichtbaren war zwar sehr wenig bekannt, aber bei den bisherigen Begegnungen hatten sie derartige Fähigkeiten nicht zu erkennen gegeben. Sie mochten Dhyarra-Kristalle manipulieren können, aber das, was hier geschehen war, überstieg sicher ihr Können. Davon war Nicole überzeugt.
Und Werwolf-Magie war das auch nicht.
Aber was dann?
Sie streckte die Hand aus, konzentrierte sich und versuchte das Amulett zu rufen. Normalerweise hätte Merlins Stern jetzt in ihrer Hand erscheinen müssen. Die Zauberwaffe, die Merlin vor fast einem Jahrtausend aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen hatte, brauchte dafür kaum mehr als eine Sekunde, und es spielte keine Rolle, ob dabei feste Materie durchflogen werden mußte, wie Hauswände oder Bergmassive.
Aber die handtellergroße Silberscheibe tauchte nicht auf.
Es gab keine Verbindung mehr zur Welt, aus der sie gerissen worden waren!
Nicole versuchte es noch zweimal, aber der Erfolg blieb weiterhin aus.
Statt dessen wurde Eva jetzt doch wieder laut. »Das ist doch nicht zu fassen! Nicole - fühl mal!« Und sie griff nach Nicoles Hand, zog sie zu sich heran und drückte sie gegen ihr Kleid.
Kleid?
Nicole sah es, spürte aber nur Haut unter ihren Fingern.
Unwillkürlich zog sie die Hand zurück, tastete ihren eigenen Körper ab. Sie konnte ihre Kleidung sehen, spürte sie auch auf ihrer Haut, aber wenn sie mit den Händen danach tastete, fühlten diese Hände den Stoff nicht!
Stoff, der zugleich existierte und nicht vorhanden war?
Wie war das möglich?
Auch Eva hatte diese Unmöglichkeit jetzt bemerkt. »Unter deiner Hand habe ich das Kleid gespürt, nicht deine Finger, aber wenn ich mich selbst berühre, ist da kein Stoff… das gibt es doch gar nicht!«
»Ich glaube, es gibt hier so einiges, was es nicht geben dürfte«, erwiderte Nicole. »Wir müssen von hier verschwinden.«
»Und wohin?« fragte Eva.
Das fragte Nicole sich auch. Es gab keine Richtungen. Überall sah die Umgebung gleich aus. Es war nicht zu erkennen, woher sie gekommen waren. Aber wenn alles identisch war, führte vielleicht jede Richtung zum Ziel. Dann reichte es, einfach irgendwohin zu
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