0630 - Minotaurus aus der Hölle
Labyrinth.
Calderone hatte es also geschafft, sie hereinzulocken. Waren sie erst mal drinnen, gab es für sie keinen Weg mehr zurück. Sie würden stunden- oder tagelang durch das Labyrinth irren, in dem der Stierköpfige auf sie lauerte. Irgendwann mußten sie ihm in die Pranken laufen.
Falls es Calderone nicht vorher schon einfiel, sie mit seinen elektronischen Tricks umzubringen. Aber das lag nicht in Stygias Absicht, sicher auch nicht in der des Mörders. Aber sicher würde er das Labyrinth so steuern und verändern, daß es die Opfer zwangsläufig dem Minotaurus entgegentreiben mußte.
Stygia bedauerte, daß sie selbst so wenig Einfluß auf den Ablauf des Geschehens hatte. Sie konnte nur zuschauen und abwarten.
Sicher, das hatte auch einen gewissen Reiz. Aber die Fürstin der Finsternis wußte nur zu gut, daß man Kreaturen wie diesem Zamorra nicht zu viel Zeit zur Verfügung stellen durfte. Der brachte es fertig, trotz allem noch einen Ausweg zu finden.
Deshalb war es wohl sicherer, die Opfer dem Minotaurus so schnell wie möglich entgegenzulenken. Über einen gewissen, kurzen Zeitraum war das Katz- und Mausspiel wohl reizvoll, aber es durfte nicht zu lange dauern.
Calderone mußte das Labyrinth entsprechend manipulieren. Er konnte es ja, mit seinem eigenartigen Anzug und den vielen Kabeln und Kontakten, mit denen er nach eigenem Bekunden selbst in die labyrinthische Welt eintauchte.
Aber wo steckte er?
Er hatte sich entfernt, war nicht aufzufinden. Stygia gab sich allerdings nicht die Blöße, nach ihm zu rufen. Über kurz oder lang würde er von selbst wieder auftauchen. Er wußte ja, was auf dem Spiel stand. Er mochte ein Mensch sein, aber er war kein dummer Mensch. Sonst hätte er es damals nicht zu einer so einflußreichen Position gebracht. Doch dann hatte er einen Fehler begangen, sich in ein Intrigenspiel einbinden lassen und selbst mit intrigiert - und dadurch alles verloren.
Er würde einen solchen Fehler sicher kein zweites Mal begehen.
Die Dämonin widmete ihre Aufmerksamkeit wieder den beiden Menschen in der Falle.
Sie konnte sie von weitem sehen, wie sie sich über die große, weite Ebene bewegten. So, wie sie auch den Stierköpfigen sehen konnte. Für die Menschen jedoch blieb Stygia ebenso unsichtbar wie der Minotaurus, blieb hinter den Mauern des Labyrinths versteckt.
Wer waren die beiden Opfer?
Zamorra und seine Gefährtin?
Stygia konzentrierte sich auf die beiden.
Da stimmte etwas nicht. Nicole Duval konnte sie zwar identifizieren. Aber wer war die andere Person?
Eine Frau, die Stygia unbekannt war…
Die mußte sie sich näher ansehen!
***
Calderone sank langsam zusammen. Er kauerte auf dem Boden, lehnte sich mit dem Rücken an etwas, wovon er nicht einmal genau wußte, was es war, und starrte die drei Schatten an, die er warf.
Einer war normal. Er wurde durch eine normale Lichtquelle erzeugt. Doch die beiden anderen - waren magisch. Er war von ihnen besessen und durchdrungen.
Die Erinnerung traf ihn wie ein Schlag.
Er glaubte, geträumt zu haben. Einen langen, schweren Alptraum, in dem er in einer fremden Welt als Diener eines mächtigen Dämons unterwegs gewesen war. Er und Zamorra. Er glaubte wieder den Dolch zu sehen, der auf ihn zuraste, von Zamorra geworfen. Hatte gespürt, wie der Dolch in seinen Körper drang. Doch er war nicht gestorben. Die Schatten, die Besitz von ihm ergriffen hatten, verhinderten es.
Er hatte nur nach dem Erwachen starke Schmerzen verspürt, und er besaß seit jener Zeit einen dunklen Fleck auf seiner Stirn.
Ganz langsam begann dieser Fleck sich im Laufe der vergangenen Wochen zu vergrößern. Kaum merklich, millimeterweise…
Er hatte gerätselt, woher Schmerz und Fleck kamen. Ein so intensiver Traum war eigentlich völlig unmöglich. Kein Traum hinterließ physische Nachwirkungen beim Träumer, wenn der wieder erwachte!
Aber jetzt wußte Calderone, daß es mehr als nur ein Traum gewesen war. Er hatte das alles wirklich erlebt. [4]
Und seit jener Zeit war er ein Besessener…
Besessen von der Macht der Schatten. Ein dunkler Zauber hatte sich in ihm manifestiert. Und dieser Zauber ging von Lucifuge Rofocale aus.
Calderone wußte es jetzt. Er war an den Erzdämon gebunden, war zu dessen Diener geworden. Von einem Moment zum anderen begriff er auch, welche Vorteile sich ihm dadurch boten. Ganz gleich, aus welchem Grund Lucifuge Rofocale ihn im Rahmen jenes alptraumhaften Erlebnisses zu seinem Diener gemacht hatte - er hatte ihm
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