0631 - Die Bluteulen
lachte so hoch wie ein Kleinkind. »Das darf doch nicht wahr sein. Da ist tatsächlich eine Eule erschienen.«
»Und sie ist wieder verschwunden«, sprach ich Suko an. »Weshalb kam sie dann erst?«
Mein Freund hob die Schultern. »Ich kann mir nur vorstellen, dass sie nachschauen wollte, ob Bettina Constanza im Zimmer ist.«
»Möglich.«
Suko ging schon zur Tür. Ich wollte auch keine Minute länger im Raum bleiben. Den beiden Frauen nickte ich zum Abschied zu und schob mich vorsichtig an der längs im Flur aufgehängten Wäsche vorbei bis zur Treppe, wo Suko wartete.
»Shaos Hinweis war also gut«, sagte er. »Ich frage mich nur, in welch einem Verhältnis diese Bettina zu den Eulen steht. Sie muss etwas mit ihnen zu tun haben. Ich kann es mir nur so erklären, das zwischen den beiden eine Art Band existiert.«
»Ich weiß nichts!«, erklärte der Hausmeister. Er drängte sich an uns vorbei. Auf der vierten Treppenstufe von oben blieb er stehen und schaute zurück. »Eines sage ich Ihnen, ich werde ihr verdammt komische Fragen stellen, wenn sie zurückkommt.«
»Das lassen Sie mal unsere Sache sein, Meister.«
Er bekam einen roten Kopf und stiefelte weiter. Auch wir blieben nicht auf der Treppe, dachten nach und überlegten dann laut, wie wir uns verhalten sollten.
Suko wollte die Herberge verlassen, um Ausschau nach weiteren Eulen zu halten, die uns möglicherweise auf die Spur der Rumänin brachten. Zudem gingen wir davon aus, dass sie bald zurückkehrte.
»Okay, sehen wir uns draußen um.«
Meinen Satz hatte der Hausmeister gehört. Er schaute aus der offenen Tür und grinste. »Wollen Sie verschwinden?«
»Wir bleiben in der Nähe.«
»Und was dann?«
»Es wird sich alles ergeben. Halten Sie die Stellung, Herr Otto.«
»Mach ich auch.« Er zeigte uns eine zweite Bierflasche, die er in der Hand hielt, und zog sich zurück.
Suko zog die schwere Außentür auf und betrat als Erster das Freie. Sofort schaute er sich um, suchte nicht nur auf dem Erdboden, sondern auch den Himmel ab.
Es blieb dunkel, kein sich bewegender Schatten flog durch die Nacht. Der Mond befand sich in einer zunehmenden Phase, die Sterne verteilten sich um ihn, und die welligen Schatten der Bergkuppen hinderten uns an einer Weitsicht.
Es war still, als wir uns von der Herberge entfernten. Die Stimmen blieben ebenso zurück wie die anderen Geräusche, auch das Schimpfen der Menschen.
Unser Leihwagen, ein Opel Kadett, zeigte einen feuchten Film.
Suko hob die Schultern und wies auf den Wald. »Da können wir suchen, bis wir schwarz werden«, murmelte er.
»Wen willst du denn finden? Die Eule oder die Frau?«
»Beide.«
Ich runzelte die Stirn. Noch einmal holte ich mir die Begegnung mit dem Nachtvogel zurück ins Gedächtnis. »Ist dir eigentlich etwas an dem Tier aufgefallen, Suko?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Aber mir. Ich will dir auch sagen, was es gewesen ist. Mir kam das Gesicht des Vogels anders vor. Ich hatte das Gefühl, als wäre das Gefieder dort dünner und durchsichtig.«
»Okay, wenn du so redest, hast du etwas in der Hinterhand. Was konntest du sehen?«
»Da schimmerte es heller.«
»Knöchern?«
»Richtig.«
»Eine Strige!«
»Bravo!«, lobte ich ihn. »Ich denke, es ist eine getarnte Strige gewesen und nicht der Tengu.«
Suko verzog den Mund. »Das würde mir überhaupt nicht gefallen. Eine Strige kommt nicht allein.«
»Du sagst es.«
Es war nicht gut für uns, wenn wir herumstanden und diskutierten. Die paar Schritte bis zum Waldrand legten wir sehr rasch zurück und fanden auch einen schmalen Weg, der wie ein schmaler Tunnel in die Tiefe des Waldes führte.
»Den Weg könnte Bettina genommen haben«, murmelte Suko. »Ich frage mich nur, wo sie hingelaufen ist.«
Er erhielt von mir keine Antwort, denn ich war bereits in den Wald hineingegangen.
Wälder in der Nacht sind wie schwarze Wände, sie scheinen undurchdringlich.
Es wisperte, es raschelte, über mir bewegten sich Zweige, manchmal knackte auch etwas, aber eines passte nicht dazu.
Der dünn klingende Schrei!
Sofort drehte ich mich um. Suko eilte herbei, auch er hatte ihn vernommen. »Wo?«, fragte er nur.
»Keine Ahnung.« Ich deutete nach vorn. »Jedenfalls stimmt diese Richtung.«
»Bettina?«
»Wenn ja, dann geht es ihr nicht gut.«
Diskutieren war jetzt fehl am Platze, wir mussten der jungen Frau entgegengehen. Ich konnte mir zudem vorstellen, dass nicht nur wir Menschen durch die Dunkelheit irrten, auch die Strigen.
Der
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