0633 - Wenn Druidenseelen trauern
strömte und sie ausfüllte. Das Kleid mit dem geschwungenen Rock reichte ihr bis zu den Knöcheln. Sie trug sehr altmodische Schuhe, die wie Pantinen an ihren Füßen saßen. Ein Kopftuch bedeckte den größten Teil der grauen Haare. Nur im Nacken fielen sie hervor.
Sie stand da, sagte kein Wort, spielte den stummen Beobachter und starrte die beiden Personen an.
Zweimal Colette! Ein magisches Phänomen, hervorgerufen durch die Kraft der Druiden.
Margot hob den Kopf, weil sie den Geist fixieren wollte, der über beiden schwebte.
Dann begann sie zu sprechen. Ich hatte Mühe, ihren Dialekt zu verstehen, und spitzte meine Ohren.
Es waren Worte, die man nicht als freundlich ansehen konnte, sie liefen schon auf eine Abrechnung mit dem Schicksal hinaus.
»Du wirst sie nicht bekommen, Druide, das verspreche ich dir. Colette soll nicht in deiner Welt verschwinden und untergehen. Ich weiß selbst, dass sie dir als junges Mädchen versprochen wurde. Deine Braut sollte sie sein, aber ihre Eltern haben einen Fehler gemacht. Sie wussten nicht, auf was sie sich einließen, als sie dir ihre Tochter versprachen. Sie starben auch, sodass Colette im Schutz ihrer Großeltern aufwuchs, die ihr gaben, was sie konnten. Wir hatten dein Spiel durchschaut. Henri, mein Mann, wollte, dass Colette die Insel verließ. Er wusste, dass der letzte Druide zum Überleben eine Menschenbraut haben wollte. Leider hat sich mein Mann geirrt. Du hast es geschafft, sie zu finden, und du hast dafür gesorgt, dass mein Mann starb. Colette aber wirst du mir nicht nehmen können. Sie ist ein Mensch, und sie gehört zu den Menschen. Ich hoffe, du hast mich deutlich verstanden.«
Ich sah klar. Also doch eine Druidenbraut. Lerain hatte nicht gelogen. Als Kind war Colette dem letzten Druiden versprochen worden, der nun kam, um dieses Versprechen einzufordern, indem er sich ihr gegenüber als Lebensretter aufgespielt hatte.
Wie diese Verbindung konkret vor sich gehen sollte, war mir ebenfalls unklar. Ich hoffte nur, in den nächsten Minuten mehr darüber zu erfahren.
Colette sagte nichts. Der Druidengeist reagierte nicht, so musste die Großmutter auch weiterhin das Wort übernehmen. Und sie richtete es an Colette.
»Du bist mein Enkelkind. Dein Großvater und ich haben all die Jahre für dich gesorgt. Ich spreche auch in seinem Sinne, wenn ich dir sage, dass ich es nicht zulassen werde. Lass die Druidenseelen stöhnen, gehe keine Verbindung mit denen ein, die nicht mehr menschlich sind und nach dem Ableben ihre finsteren Kräfte ausspielen konnten. Du wirst bei uns, bei den Menschen, bleiben, denn dort gehörst du hin, Colette.« Sie streckte einen Arm vor. »Komm zu mir, verlasse den Opferkreis der Eichenkundigen. Dein Platz ist an meiner Seite.«
Ich war sehr gespannt darauf zu erfahren, wie Colette reagieren würde. Sie hatte sich zunächst einmal nicht gerührt, stand abwartend da, wusste wohl nicht, wem sie gehorchen sollte, und schaute erst nach einer Weile auf die Person, die neben ihr stand und die sie selbst war.
Das Kind bewegte sich.
Es spreizte seinen linken Arm vom Körper ab und streckte die Hand so aus, dass sie die der normalen Colette umfassen konnte.
Und Colette gehorchte!
Die Worte ihrer Großmutter waren bei ihr nicht auf fruchtbaren Boden gefallen. Sie wollte den anderen Weg gehen und das Versprechen einhalten, was sie auch erklärte.
Gläsern und spröde klang ihre Stimme. »Ich habe lange genug gewartet, um ihn zu treffen. Jetzt erst kehrte bei mir die Erinnerung zurück, denn nun weiß ich, was mir alles entgangen ist. Als Kind bin ich dem Druiden geweiht und versprochen worden. Dieses Versprechen war verschüttet gewesen, nun kommt es wieder hervor. Es hat die Oberfläche meiner Erinnerung erreicht, ich werde mich daran halten, denn ich sehe mich als Kind neben mir stehen.«
»Das bist du nicht!«, rief Margot Ingram. »Verflucht noch mal, Colette, du bist es nicht!«
»Doch!«
»Nein, es ist unmöglich. Du kannst nicht du selbst sein und gleichzeitig ein Kind. Denke darüber nach, Colette. Du bist kein Kind, du bist erwachsen. Das Kind neben dir ist eine Täuschung, eine magische Projektion. Der verfluchte Druide will dich, er will deine Seele, er will alles von dir und benutzt die Projektion als Druckmittel.«
»Er rettete mein Leben.«
»Ja, vielleicht. Es war vordergründig. Er hat es nicht ohne Grund getan. Er rettete dein Leben, um es dir jetzt zu nehmen. Vergessen hat er nichts. Du bist wahr, du bist real, aber
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