0634 - Duell der Schamanen
wenig peinlich gewesen - andererseits aber ein doch recht niedlicher Anblick war. So recht nachvollziehen konnte Cristofero das Verhalten dieser hübschen jungen Frau bis heute nicht, aber er war genug Mann, die Augen nicht vor ihrer unverhüllten, natürlichen Schönheit zu verschließen.
Und ein wenig vermißte er diesen Anblick inzwischen auch. Auch wenn er ihr häufiges unbekleidetes Auftreten doch ein wenig unsittlich finden mußte. Aber zuviel Sittsamkeit mußte schließlich auch nicht sein…
Bei diesen Heiden mit ihrer rötlichbraunen Hauttönung war es üblich, mit nur wenig Kleidung am Leib herumzulaufen. Nun gut, es war auch warm in diesem Land; selbst der Winter war nicht mit dem zu vergleichen, wie er in der Alten Welt für gewöhnlich wütete mit klirrendem Frost und hohem Schnee. Hierzulande war der Winter so mild wie drüben in Frankreich oder Spanien der Herbst oder der Frühling.
Es war beinahe paradiesisch, und hatten nicht auch Adam und Eva im Paradies anfangs keinerlei Kleidung getragen? Aber die hatten wenigstens von Gott gewußt, während der diesen rothäutigen Heiden fremd war. Sie besaßen einen ausgeprägten Geisterglauben, der Don Cristofero gar nicht gefiel. Was er bisher davon mitbekommen hatte, erinnerte ihn häufig an die Geister, mit denen es sein später Nachfahre Professor Zamorra zu tun hatte, der gegen böse Geistwesen kämpfte. Don Cristofero selbst hatte die unheilvollen Nachtgeschöpfe selbst oft genug kennengelernt. Und es gab sie nicht nur im Abendland der Zukunft, sondern auch hier in der Neuen Welt der Gegenwart.
Cristofero wußte es.
Er hatte sie kennengelernt, die schleimigen Leichenfresser, diese Dämonen, die in der Erde wohnten und Menschen jagten, um sie umzubringen und aufzufressen. Ghouls wurden sie genannt.
Vor etwa einem Jahr war es gewesen.
Bis kurz vorher war er Herr auf Château Montagne beziehungsweise Castillo Montego, wie er es nannte, gewesen. Durch eine böse Intrige des schurkischen Robert deDigue war er bei König Ludwig XIV in Ungnade gefallen und ins Exil geschickt worden. Von Bordeaux aus war er mit einem Sklavenschiff nach Port-au-Prince gefahren, um von dort aus zu dem Landstrich weiterzureisen, der in ein paar Jahren zu Ehren König Ludwigs den Namen Louisiana erhalten würde, wie er von seinem Aufenthalt in der Zukunft her wußte. Dort, auf dem französischen Territorium entlang des Mississippi, war er dem Sonnenkönig weit genug entfernt.
Aber das Schiff war von Geisterpiraten aufgebracht worden und zerschellte an einem weit von Port-au-Prince entfernten Küstenstreifen Españolas. Dort jedoch hausten die Ghouls. [5]
Irgendwie war dann per Zeitreise Professor Zamorra aufgetaucht. Irgendwie war aber auch der tückische Schurke deDigue mit im tödlichen Spiel gewesen, und er hatte alles daran gesetzt, Don Cristofero zu töten. Aber natürlich war es ihm nicht gelungen; Cristofero war dann unangefochten weitergereist.
Seit etwa einem Jahr befanden der Gnom und er sich nun in jenem künftigen ›Louisiana‹. Diese Kolonie war erst vor zwei Jahren offiziell begründet worden, obgleich es bereits seit 1627 die von Richelieu gegründete ›Neu-Frankreich-Gesellschaft‹ gab, die die französischen Besitzungen auf dem Neuen Kontinent verwalten sollten.
Ursprünglich hatten die Spanier dieses Gebiet entdeckt, wie sie auch Mexico und Florida in Besitz genommen hatten. Aber die Franzosen waren es, die hier zu siedeln und das Land zu erforschen begannen.
Dieses ›Neu-Frankreich‹ war wie geschaffen für Don Cristofero. Er war von Geburt Spanier und durch Bündnisse und Hochzeiten an französische Besitzung gelangt; er war auf weitläufig verschlungenen Pfaden, die er wohl selbst nicht einmal ganz durchschaute, irgendwie verwandt mit der Familie König Philips IV. von Spanien, dessen Tochter Maria Theresia die Gattin des Sonnenkönigs war. Don Fuego bekam daher Château Montagne, das er selbst ›Castillo Montego‹ nannte, zur Verfügung gestellt, weil angeblich der letzte deMontagne längst ausgestorben sei.
Aber dann kam eben seine Pechsträhne mit der unfreiwilligen Zeitreise in die Zukunft. Sein Intimfeind deDigue mußte Don Cristoferos Abwesenheit weidlich ausgenutzt haben, um kräftig zu intrigieren. Und so hatte der vierzehnte Ludwig beschlossen, den Don so weit fortzuschicken wie eben möglich.
Wie es seine Art war, trat Cristofero bei seiner Ankunft in der Kolonie gleich großspurig auf und ernannte sich selbst zum persönlichen
Weitere Kostenlose Bücher