0637 - Nackt in die Hölle
darf dir gratulieren.«
Sie winkte ab. »Erzähl mir keinen Unsinn. Die Gesichter der Frauen sind mit denen identisch, die ich in der Baumrinde gesehen habe. Die Hexen spielten also eine bestimmte Rolle, falls es überhaupt Hexen waren. Wie ging es weiter?«
»Es war der fast übliche Weg.«
»Wieso nur fast?«
Ritchie lächelte. »Das Ende ist immer etwas anders. Darf ich dich weiter führen, meine Liebe?«
Jane beherrschte sich nur mühsam. Dieser Ritchie war ein Hundesohn, ein Lügner, der verdammt gut Bescheid wusste, sie aber an der langen Leine laufen ließ, was ihr wiederum überhaupt nicht passte. Da sie selbst keinen besseren Vorschlag hatte, musste sie sich notgedrungen auf ihn verlassen. Würde sie dann am Ziel die geheimnisvolle Kugel finden oder nicht? Vielleicht erging es ihr ebenso wie dem armen Willi Peters, der sich zu weit vorgewagt und das Höllenfeuer unterschätzt hatte.
Ritchie bewegte sich wie ein Pantomime. Er redete mit Händen und Füßen.
»Warum sagst du nichts?«
Er grinste nur und machte eine Kopfbewegung. »Da musst du hin, da, nach rechts.«
Jane drehte sich um. Durch einen Zaun war die Szenerie verdeckt. Da keine Lücke klaffte, blieb Jane nichts anders übrig, als den Zaun zu umgehen und von einer bestimmten Seite her den Ort zu betreten, wo die Hexen nach der Gefangennahme gefoltert wurden.
Diesmal sah sie die Gesichter sofort. Wieder waren es die Gleichen, Mutter und Tochter also.
Die Mutter steckte in einem zylinderförmigen Behälter, der ihr bis zum Hals reichte. Nur der Kopf schaute hervor. Durch Schlitze an den Seiten drückten die Folterer flache Messer in das Innere.
Was, die Frau erlebte, zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.
»Echt, wie?«, flüsterte Ritchie.
»Halt deinen Mund, verdammt!«
»Schwache Nerven?«
Jane ging weiter. Sie trat an eine Streckbank, wo die Tochter rücklings und unbekleidet lag, angebunden worden war und von unten her in die grinsenden Gesichter der Folterknechte schauen konnte.
Auch sie musste schreckliche Schmerzen spüren. Das war sehr deutlich auf dem Gesicht nachmodelliert.
Die Detektivin wandte sich schaudernd ab. »Ist das die letzte Stufe gewesen?«
»Nein.«
»Was kommt noch?«
Ritchie spitzte die Lippen, als wollte er den Kaugummi zu einer Blase aufpusten. »Das Finale der Hexen«, erklärte er.
»Dann zeig es mir.« Jane hatte sich hier unten umgesehen, aber keine entsprechende Szene entdecken können.
»Es ist ja wichtig für dich, Jane. Denn das Finale hat auch etwas mit der Kugel zu tun.«
»Meinst du, dass ich sie dort finden kann?«
»Es ist alles möglich. Oder kennst du die Regieanweisungen des Telefons?« Er lachte.
»Die will ich auch nicht kennen, verdammt!«
»Deine Sache.« Geschmeidig drehte er sich auf der Stelle und wirkte wie ein Schauspieler auf der Bühne. Jane wurde tatsächlich den Eindruck nicht los, dass hier ein besonderes Schauspiel ablief, in dessen Mittelpunkt sie stand.
Ritchie ging zur Treppe. Mit wiegenden Schritten, leise vor sich hinsummend, dann einen Text singend, der von Hexen, dem Teufel und auch den Scheiterhaufen erzählte.
»Hör auf damit.«
»Was willst du, Jane? Die Landsknechte haben es früher gesungen.«
»Fühlst du dich als Landsknecht?«
»Manchmal schon.« Er lachte und nahm die nächsten beiden breiten Holzstufen mit einem Satz.
Jane folgte ihm nicht so schnell. Die beiden letzten Demonstrationen hatten ihr gereicht. Hinzu kam der Tote mit dem verbrannten Gesicht, und sie musste zugeben, dass sich dieses Hexen-Museum in eine Hölle verwandelt hatte.
Ritchie wartete oben, sodass er Jane den letzten Weg versperrte. »Was du gleich erleben wirst, ist etwas ganz Besonderes. Das bekommt nicht jeder Besucher zu sehen.«
»Weshalb nicht?«
»Ganz einfach. Man braucht starke Nerven dazu. Habt ihr bei euch in London nicht etwas Ähnliches?«
»Ja - The London Dungeon! Dort liegt Englands blutige Geschichte wie auf dem Präsentierteller.«
»Hier ist es ähnlich.«
»Lass mich vorbei.«
»Noch nicht!«, flüsterte er. »Denn eines ist sicher: Gleich wird sich herausstellen, ob du eine Hexe bist oder nicht. Hier oben erwartet dich die Prüfung.«
Jane wurde sauer. »Rede nicht so viel!«
Ritchie schwang zurück. Und wieder spielte er Theater. Mit einer Hand wies er in das Dämmer hinein, denn das aus der Tiefe steigende Licht reichte kaum bis auf die Galerie.
»Kann man es hier nicht heller machen?«, fragte Jane.
»Willst du denn?«
Wieder schnappte sie
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