0637 - Nackt in die Hölle
modelliert, denn ich wusste Bescheid.«
Besonders über den letzten Satz dachte Jane nach. Ritchie wusste also Bescheid. Er war überhaupt ein ungewöhnlicher Mensch, ein Kenner der Materie.
»Okay, Ritchie, dann gehen wir beide mal ans Eingemachte. Woher wusstest du Bescheid? Hast du dir alles angelesen? Bist du Experte, was das auslaufende Mittelalter angeht und den eigentlichen Beginn der Hexenverfolgung?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Und woher beziehst du dein Wissen?«
»Oh«, lobte er sich selbst. »Ich hatte einen wunderbaren Lehrmeister, wenn du verstehst.«
»Ach ja? Wen denn?«
»Den besten, den es gibt. Den Teufel, Jane! Der Teufel war mein Lehrmeister!«
Die Detektivin schloss für einen Moment die Augen. Allmählich lichtete sich das Dunkel des Falles.
Wenn Ritchie den Teufel als Lehrmeister gehabt hatte, war es ihm leicht gefallen, in ihr eine ehemalige Hexe zu erkennen.
Dann wusste er auch noch mehr und hatte bisher nur sein Spiel mit ihr getrieben.
»Das ist nicht alles - oder?«
Er antwortete über ihre rechte Schulter hinweg. »Ich weiß nicht, Jane. Kommt darauf an, was du wissen willst.«
»Ich suche die Kugel.«
Ritchie kicherte. »Stimmt, die suchst du. Soll ich dir sagen, wo du sie findest?«
»Das wäre nicht schlecht!«
Er überlegt und holte schlürfend Atem. »Gut, Jane, ich werde dir einen Tipp geben. Du sollst nicht umsonst gekommen sein. Die Kugel liegt zum Greifen nahe vor dir. Hast du gehört? Zum Greifen nahe. Eigentlich brauchst du dich nur zu bücken.«
»Da ist der Korb mit den beiden Köpfen…«
»Na und?«
Jane drehte sich um, damit sie Ritchie anblicken konnte. Sie wollte herausfinden, ob er log oder die Wahrheit sagte. In seinen Augen stand ein Ausdruck, als würde er von Fieberschauern geschüttelt.
Ritchie war erregt, sein Gesicht glänzte nass, die Lippen zitterten.
»Glaubst du mir nicht?«
Jane ließ ihren Blick noch einen Moment auf dem Gesicht des anderen verweilen. »Doch, Ritchie, jetzt glaube ich dir. Ja, ich glaube dir, denn ich sehe keinen Sinn darin, dass du mich anlügst.«
»Dann hol die Kugel!«
Jane nickte, bevor sie sich bückte. Ihre Glieder fühlten sich schwer an, als wären sie mit Metall gefüllt. Sie streckte die Arme aus und umfasste den Korb an den Seiten, noch bevor sie mit den Knien den Boden berührte.
Es gefiel ihr nicht, dass Ritchie hinter ihr stand. Sie bat ihn, zur Seite zu treten.
»Du traust mir wohl nicht, wie?«
»So ist es.«
Er schüttelte den Kopf, wischte über seine Stirn und federte in die Hocke, weil er aus dieser Perspektive alles genau mitbekommen wollte, was Jane Collins unternahm.
Es fiel ihr schwer, doch ihr blieb keine andere Wahl. Sie musste im Korb nachschauen und ihn damit auch von seinem Inhalt befreien. Zuerst umfasste sie den Kopf der Mutter.
Abermals wunderte sie sich über die Wärme des Materials. So, als würde noch Blut durch die Adern strömen. Doch er bewegte sich nicht. Sie konnte ihn, so starr und steif wie er war, rechts neben dem Korb ablegen.
»Und jetzt den Nächsten!«, zischelte Ritchie.
Jane gab sich ruhiger, als sie tatsächlich war. Ihr Inneres kam ihr aufgewühlt und völlig fremd vor.
Der Kopf des jungen Mädchens war kleiner und etwas leichter. Das schwarze Haar streichelte über ihre Finger. Sie dachte wieder an die beiden Gesichter innerhalb des Baumstammes und auch daran, dass die Geister oder die Seelen der beiden Frauen in der Umgebung herumspuken mussten, weil sie keine Ruhe fanden.
Ein alter Fluch der Hölle hatte auch hier wieder einmal seine Bestätigung gefunden.
Behutsam legte sie den Kopf links neben den Korb, um noch einmal hineinzugreifen. Abermals mit beiden Händen, und sie spürte überdeutlich, wie das Stroh über ihre Haut kratzte.
War es der richtige Weg? Oder sollte sie wieder nur einen Test wagen?
Jane schaufelte das Stroh zur Seite, um sich den nötigen Platz zu verschaffen. Sehr tief war der Korb nicht, dafür breiter.
Noch vom hellen Stroh bedeckt, ertastete Jane Collins den Widerstand am Korbboden.
Einen runden Gegenstand…
Tief holte sie Luft, dabei erstarrte sie, was auch Ritchie sofort merkte. »Na?«, fragte er. »Hast du sie gefunden?«
»Ich - ich spürte sie.«
»Hol sie hervor!« Ritchie war ebenfalls nervös. Auf diesen Augenblick hatte er lange gewartet, denn nun würde sich das weitere Schicksal entscheiden.
Auch seines, denn es stand mit dem gesamten Museum in einem unmittelbaren Zusammenhang.
Jane hatte ihre Hände
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