064 - Das Steckenpferd des alten Derrick
anfänglich in Mengen auftretende Waschgold verringerte sich mehr und mehr, und sie hatten sich bereits mit dem Gedanken vertraut gemacht, das Lager aufzugeben, als Walter von einem alten Löwen angefallen wurde. Er war zwar in der Abwehr erfolgreich geblieben, hatte aber doch allerlei Verletzungen, besonders am Bein, davongetragen, die merkwürdigerweise ein gleiches Hinken bei ihm zur Folge hatten, wie es auch dem Vater in England eigen war. Lordy Brown hatte den Verletzten gefunden und ins Lager geschafft, nicht ohne nach drei Tagen mit zwei Säckchen Gold, dem Eigentum der beiden Goldsucher, zu verschwinden.
Walter Derrick lag lange krank. Er phantasierte und hatte wahrscheinlich dabei dem höchst interessierten Cleave seine ganze Lebensgeschichte verraten. Während er im Fieber lag, mußten Briefe von zu Hause gekommen sein. Der Alte mochte vielleicht mit seinem Tod gerechnet und Versöhnung mit dem Verstoßenen gesucht haben. Daß Cleave diese Briefe gelesen und darauf seinen Plan aufgebaut hatte, gab der falsche ›Walter Derrick‹ auf Befragen ohne weiteres zu.
Eines Nachts - Cleave glaubte, daß sein verwundeter Kamerad den Morgen nicht mehr erleben werde - verließ er das gemeinsame Lager und nahm alles, was er nur schleppen konnte, mit. Um seinen Plan auszuführen, brauchte er Geld. Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Eines Abends erreichte er ein Goldgräberlager und fand einen schlafenden Prospektor, der, vom Alkohol übermannt, es sich auf einer Wiese bequem gemacht hatte. Niemand war in Sicht, und Cleave benutzte die Gelegenheit, dem ändern die Taschen zu durchsuchen. Seine Bemühung war erfolgreich, denn der Betrunkene hatte am gleichen Tag seinen ›Claim‹ an die Tanganjika A. G. gegen bar verkauft und trug beinah die ganze Kaufsumme bei sich. Der Mann mochte trotz seiner Trunkenheit etwas gemerkt haben, denn als Cleave mit der Beute das Weite suchte, sandte er ihm eine Kugel nach, die haarscharf am Dieb vorbeipfiff. Cleave erwiderte das Feuer, und der Beraubte sank tödlich verwundet zu Boden. Cleave hatte nicht damit gerechnet, daß man die Schüsse im Goldgräberlager hören würde, und er konnte kaum mehr den Wald erreichen, so heiß wurde die Verfolgung. Um der immer enger werdenden Umzingelung und dem Feuer der wütenden Goldgräber zu entgehen, floh er in der einzig ihm Rettung verheißenden Richtung - zu seinem schnöde verlassenen Genossen zurück. Die Verfolger waren ihm auf den Fersen, als er endlich das Zelt erreichte. Zu seinem Erstaunen saß Walter Derrick völlig angezogen auf dem Feldbett - doch wenige Sekunden später verlor er das Bewußtsein.
Als er wieder erwachte, befand sich Derrick unter Raubmordanklage in einem Gefängnislazarett. Man hatte - die Verfolger waren gleich darauf ins Zelt gekommen - ihn mit einer Pistole in der Hand gefunden, in seiner Tasche befand sich die Beute, und den Mörder hatte ja niemand zu Gesicht bekommen.
Walter Derrick wurde vor ein Schwurgericht gestellt und hörte über sich das Todesurteil fällen. Man hatte ihn unter dem Namen Cleave angeklagt, und er selbst zweifelte anfänglich nicht daran, daß er die ihm zur Last gelegte Tat im Delirium wirklich begangen habe.
Nach seiner Begnadigung zu lebenslänglichem Zuchthaus begann er endlich, die Tatsachen, soweit sie ihm bewußt waren, aneinanderzureihen. Warum nannte man ihn Cleave? Er erfuhr es schnell genug. Bei seiner Verhaftung hatte er selbst diesen Namen im Fieber genannt. Wahrscheinlich hatte er nach seinem Genossen gerufen. Die örtliche Polizeibehörde wußte jedoch nichts davon, daß er überhaupt mit einem ändern zusammen gewesen war. Inzwischen hatte der wirkliche Cleave unbelästigt die Küste erreicht. In Kapstadt tauchte er spurlos unter.
Im Zuchthaus hatte man Walter Derrick nach einiger Zeit wegen guter Führung erlaubt, Zeitungen zu lesen. Eines Tages fand er in einer von ihnen die Nachricht vom Tode seines Vaters. Erwähnt wurde gleichzeitig, daß der Sohn und Erbe Mr. Josua Derricks, Mr. Walter Derrick, in England eingetroffen sei, um das Erbe anzutreten. Die Zeitung brachte auch ein Bild des ›Sohnes‹. Nun erst - wurde ›Cleave‹ die ganze .Intrige klar. Was aber sollte er tun? Er befand sich im Zuchthaus. Auf herkömmliche gesetzliche Weise würde es ihm nie gelingen, seine Unschuld zu beweisen. Er wandte sich an den Arzt und den Geistlichen. Der erste lachte ihn glattweg aus, der andere sprach mit ihm wie mit einem Verrückten, dem man seine Zwangsvorstellung lassen
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