064 - Der Frauenhexer
Seitengang.
Gleich darauf stand Thorn im Seitengang. Niemand war zu sehen. Der Schauspieler wollte die Tür des Abstellraums aufreißen, aber sie war verschlossen.
Der Hotelier und der Regisseur kamen kurze Zeit später. Viktor Schultz-Breitenberg blinzelte verschlafen.
„Wenn ich einen bei dem Blödsinn erwische, dann fliegt er“, sagte er, als man ihm erzählt hatte, was geschehen war. „Drehen wir hier einen Film oder spielen wir Gespenster? Da muß doch der Maskenbildner die Hand im Spiel haben. Na warte!“
„Öffnen Sie die Tür da“, sagte Thorn zu dem Hotelbesitzer. „Der Kerl muß noch in dem Raum sein.“
„Es gibt nur den Hauptschlüssel“, sagte der Hotelbesitzer. „Der andere ging verloren, und wir konnten noch keinen neuen anfertigen lassen. Der Hauptschlüssel war die ganze Zeit bei mir. Es kann niemand in den Raum gelangt sein.“
„Wo soll er denn sonst sein? Schließen Sie die Tür auf!“
Der Hotelbesitzer öffnete. Die Abstellkammer war leer bis auf ein paar ausrangierte Möbel, Staubsauger, Putzeimer, Schrubber und Wischlappen.
In dem kleinen fensterlosen Raum war niemand.
„Das gibt es doch nicht“, sagte Thorsten Thorn. „Er muß hier sein. Er ging um die Ecke und verschwand. Und der Gang endet hier.“
„Wenn es ein richtiger Geist war, dann kann er durch Wände gehen“, sagte eine Frauenstimme.
Einen Moment sahen sie sich schweigend an. Selbst Viktor Schultz-Breitenberg mußte sich erst räuspern, ehe er sprechen konnte: „Unsinn! Wir machen hier zwar einen Horror-Film, aber
so was glaubt doch kein Mensch. Wir werden schon noch merken, was es war. Ein Geist auf keinen Fall. Es gibt keine Geister.“
Von irgendwo gellte Gelächter, so schaurig und höhnisch, daß alle ein kalter Schauer überlief.
Bei Drehbeginn am nächsten Morgen waren einige unausgeschlafen. Leonora Rycka, weil sie nach dem Spuk in der Nacht doch nicht allein bleiben wollte, Thomas Leupolt aus demselben Grund. Die erste Szene sollte vor dem Galgenwirtshaus spielen.
Thorsten Thorn als Hexenmeister Gilbert Signefeu traf hier eine Gruppe von Hexen, die er herbeibeschworen hatte. Leonora Rycka führte die Hexen an.
Thorsten Thorn trug schwarze Kleider, die Hexen Röcke und Blusen. Auf Leonora Ryckes Schulter saß eine schwarze Katze. Der Ausschnitt der schwarzhaarigen Leonora war mehr als gewagt.
Das Galgenwirtshaus hatte ein Wirtshausschild bekommen, die Fenster waren geputzt und zerschlagene Scheiben erneuert worden. Im Innern des Wirtshauses arbeiteten Männer an der Renovierung für später folgende Szenen. Der Kamerawagen fuhr der Hexengruppe entgegen. Viktor Schultz-Breitenberg arbeitete konzentriert. Gleich sollte eine Reitergruppe auf dem Hügel erscheinen und mit gezogenen Schwertern auf die Hexen losgaloppieren.
Schon erschienen die Reiter, gerieten in den Bereich der Kameras. Thomas Leupolt als Anführer Jörn Freydag hob die Hand mit dem Schwert, deutete auf die sieben Hexen. Thorn vor dem Haus sah jetzt die Reiter, breitete die Arme aus. Der Schimmel des Räuberhauptmanns bäumte sich wiehernd auf.
Einer der Arbeiter kam aus dem Haus, zupfte Viktor Schultz-Breitenberg am Ärmel.
„Was gibt es denn? Ich habe jetzt keine Zeit.“
Es war eine der Szenen aus dem letzten Teil des Films, der Kampf des Hexers mit dem Spessarträuber. Der Hexer und sein Gefolge sollten die Angreifer laut Drehbuch in die Flucht schlagen.
„Unten im Keller, Herr Schultz-Breitenberg.“
„Interessiert mich nicht.“
„Da liegt aber ein Toter.“
Mit einer Behendigkeit, die bei seiner Körperfülle niemand vermutet hätte, sprang Schultz-Breitenberg von seinem Klappstuhl hoch. Thorn sah irritiert zu ihm hin, die Hexen und die Kameraleute auf dem einen Wagen ebenfalls. Leupolt mit seinen acht Männern preschte den Hügel herunter am Galgen vorbei. Doch als sie sahen, daß die Aufnahmen unterbrochen waren, zügelten sie die Pferde und schoben die Schwerter in die Scheiden.
„Wo liegt der Mann, verdammt?“
Schultz-Breitenberg, Thorsten Thorn und die andern folgten dem aufgeregten Arbeiter in die düsteren Kellergewölbe. Zwei Männer mit Lampen erwarteten sie. Vor einer niedergestürzten Mauer, die einen kleinen Zellenraum abgeschlossen hatte, lag ein untersetzter, dunkelhaariger Mann, das Gesicht gräßlich verzerrt.
„Mein Gott“, sagte einer hinter Schultz-Breitenberg leise. „Der sieht ja aus, als hätte er den Leibhaftigen gesehen.“
Der Regisseur beugte sich
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