064 - Marotsch, der Vampir-Killer
ist denn da?« Er hatte keine große Lust, jetzt noch
Besuch zu empfangen.
Reisner sträubten sich die Haare, als er Antwort auf seine
mürrische Frage erhielt.
Die Stimme kannte er, die war ihm vertraut.
»Ich bin’s, Inge!«
●
Sein Schädel brummte, und siedendheiß lief es ihm über den Rücken.
»Inge?« fragte er ungläubig. »Aber Inge ist doch…«
Er zuckte zusammen und brachte es nicht fertig, das schreckliche
Wort auszusprechen.
Seine Hand fuhr zum Riegel und zog ihn zurück. Er riß die Tür auf.
Da stand sie vor ihm… Inge Merkant! Wie ein Gespenst…
Sie trug ein weißes, durchnäßtes Hemd. Ihr Totenhemd.
Inge lächelte.
»Willst du mich nicht hereinlassen?« fragte sie mit zarter Stimme.
Ihre dunklen Augen schimmerten.
»Ja, doch, ja, ja, ja, ich…«
Er war völlig durcheinander.
»Aber ich dachte – mein Gott, was haben sie bloß mit dir gemacht?
Deine Mutter hat doch gesagt… ich meine… im Krankenhaus… du bist doch
gestorben, tot! Es geht doch nicht, daß du…«
»Sie haben sich geirrt«, wisperte Inge und huschte schnell an ihm
vorbei. Ihr Körper strahlte eine furchtbare Kälte aus.
Scheintot, grellte es durch Reisners Bewußtsein. Er fand es
schrecklich, daß so etwas ausgerechnet seiner Inge passieren mußte. In der
Leichenhalle mußte sie zu sich gekommen sein. Und in höchster Panik war sie
geflohen.
»Du mußt dir sofort etwas überziehen. Du bist ja völlig durchnäßt.«
Seine Stimme klang glücklich. »So bist du durch die Stadt gelaufen? Die Leute!
Was haben die Leute gesagt?«
»Ich habe keinen Menschen getroffen. Bei diesem Wetter! Und dann
habe ich mich versteckt, so gut ich konnte.«
Sie wandte ihm ihr schmales, bleiches Gesicht zu. Dann schlang
sie, scheinbar plötzlich von ihren Gefühlen übermannt ihre Arme um Peter
Reisners Hals.
Reisner drückte sie fest an sich.
Keine Körperwärme! Eisige Kälte strömte von ihr aus…
Sie konnte sich wirklich den Tod holen. Sie war geschwächt. Wenn
sie eine Lungenentzündung bekam…
»Leg’ es sofort ab! Ich hole dir ein paar warme Decken, ich stell’
den Heizlüfter an«, sagte er schnell.
Aber sie ließ nicht los. Ihr kaltes Gesicht war an das seine
gepreßt. »Bleib bei mir«, hauchte sie, »laß mich nie wieder los! Halte mich
ganz fest!«
»Ja, ja, gleich. Erst muß ich mich um dich kümmern!« Er lachte und
war glücklich. Wie schnell sich etwas ändern konnte! »Diese schrecklichen
Kerle«, sagte er, während er seine Hand liebkosend über das dichte, schwarze,
völlig durchnäßte Haar bewegte. »Sie müssen doch gemerkt haben, daß du nicht
tot bist. Wahrscheinlich ein Fehler in den Meßinstrumenten. Herzversagen,
Kreislaufversagen, das nicht richtig erkannt wurde. Ich kann das nicht
verstehen. Wie so etwas nur passieren kann! In der heutigen Zeit!«
Er schloß die Augen, und eine schreckliche Vorstellung peinigte
ihn: Was wäre wohl geworden, wenn die Bestattung bereits erfolgt, wenn Inge
erst im Sarge wieder zu sich gekommen wäre?
Inge Merkants Kopf ruhte an seiner Schulter. Sie lächelte. Ihre
Lippen öffneten sich, und die beiden langen Eckzähne, das Zeichen der Vampire,
ragten über ihre Unterlippen.
Kurz und ruckartig, als liefe plötzlich ein Krampf durch ihren
Körper, biß Inge Merkant zu.
Wie ein Saugnapf saß ihr Mund an der tiefen Wunde und das Blut aus
Reisners Schlagader füllte ihren Mund.
●
Der schiefergraue Alfa Romeo ging mit quietschenden Pneus in die
Kurve.
Larry fuhr wie ein Irrer.
Wenn ihn eine Polizeistreife entdeckte, würde es unangenehm
werden.
Doch die Straßen waren noch immer menschenleer, und die Wiener
Innenstadt hatte wohl schon lange Zeit nicht mehr einen derart verkehrsarmen
Tag erlebt.
X-RAY-3 wurde das Gefühl nicht los, daß seine Fahrt ein Rennen
gegen die Zeit war. Je mehr er über die Vorfälle nachdachte, desto mehr System
glaubte er zu entdecken.
Er und Sachtier waren übereingekommen, sich die Arbeit zu teilen.
Sachtier mußte Larry recht geben, wenn er annahm, daß mit der
Leiche Elfie Sommers, die heute morgen eingeliefert worden war, das gleiche
passieren konnte, wie mit Inge Merkant.
Die beiden Männer entfernten sich praktisch in entgegengesetzter
Richtung.
Brent erreichte nach einer Fahrt von knapp zehn Minuten die
Straße, in der Peter Reisner wohnte.
Alleebäume säumten den Straßenrand. Auf dem Parkplatz, dem alten
Haus gegenüber, standen zahlreiche Autos. Hinter den Fenstern der Wohnungen
brannte
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