064 - Marotsch, der Vampir-Killer
auf Sachtier eingestochen hatte.
Man konnte die Liegeflächen von dem Rollengestell der Bahren
heben, indem man einfach einen etwa dreißig Zentimeter langen, nadelförmigen
Metallstab aus einer Öse zog.
Wie mit einem Dolch hatte Josef in seiner Rage und wie in Trance
auf den Kommissar eingestochen.
Sie brachten den geschwächten Kommissar in das nächste
Krankenhaus. Larry informierte die Dienststelle. Dann fuhr er mit Kersky
weiter.
»Sie sollten wirklich über alles informiert sein«, meinte Kersky.
»Ich möchte, daß Sie sich einen Eindruck von dem machen, was in meinem Haus
vorgeht. Der Abend war schon aufregend genug. Die Nacht wird kommen und dann
erst werden Vampire aktiv, sagt man. Das stimmt!«
●
An der Ecke Neulerchenfelder Kirchstetternstraße hielt Kersky kurz
an. Larry lief zu der Stelle zurück, wo er seinen Alfa Romeo abgestellt hatte.
In der Straße herrschte noch immer einige Aufregung.
Polizei– und Krankenwagen waren bereits wieder abgezogen. Nichts
mehr wies auf den makabren Vorfall hin.
Larry holte seinen Leihwagen und verließ die Kirchstetternstraße.
Er fuhr hinter Dr. Kersky her der es eilig hatte, nach Hause zu kommen.
●
Niemand wußte, wer den schwarzen Chevrolet steuerte und was für
eine Fracht er beförderte.
Der Chauffeur war ein schlanker, schwarzgekleideter Mann mittleren
Alters.
Er wirkte distinguiert.
Zum erstenmal hielt der amerikanische Straßenkreuzer in der
Reichsapfelgasse. Nicht weit vom Parkgelände des Schlosses Schönbrunn und vom
Auer-Welsbach-Park entfernt, war dies ein Operationsgebiet, in dem ein Vampir
schnell untertauchen konnte, wenn es darauf ankam. Und es kam darauf an, wie
die Entwicklung zeigte.
Doch der Mann am Steuer ließ sich dadurch nicht beirren. Er hatte
einen Plan. Und diesen Plan würde er buchstabengenau erfüllen.
Es konnte nichts schiefgehen. Einem Marotsch war noch nie etwas
mißlungen. Und er war – ein Marotsch!
Elfie Sommer bekam das Zeichen, auszusteigen, als die Straße frei
war.
Die junge rothaarige Serviererin trug nicht mehr das dünne, weiße
Totenhemd auf dem blassen Körper. Wie durch Zauberei war dieses weiße, brüchige
Gewebe, das für die Vergänglichkeit bestimmt war, zu einem Kleid geworden. Der
Stoff war dunkelblau, der untere Saum war mit Rüschen besetzt, und es hatte
kurze Ärmel.
Marotsch war ein Magier. Die Gabe zu hexen, wurde nur wenigen Menschen
zuteil. Das Talent war ihm in die Wiege gelegt worden. Aber man mußte sich der
Sympathien der Höllenmächte stets aufs neue vergewissern. Nur solange er das
tat was man von ihm erwartete, bekam er das, was er erwartete.
Elfie Sommer verschwand im Dunkeln.
Der Marotsch fuhr wieder ab.
Drei Straßenecken weiter vorn, wo die Wurmsergasse in die
Fehlberststraße mündete, hielt er erneut an. Diesmal verließ Peter Reisner den
Chevrolet.
Der Marotsch war allein »Lebt«, murmelte er, und es klang wie eine
Beschwörung. »Die Nacht ist euer Metier. Verbreitet Angst und Schrecken – und
Tod! Dann seid ihr mein, dann kann ich euch gebrauchen. Dann werde ich eure
Herzen holen.«
Er blickte auch Peter Reisner nach, bis der junge Mann verschwunden
war Der Fahrer startete den Chevrolet erneut.
Scheinbar ziellos steuerte er durch die Stadt. Aber dieser
Eindruck täuschte.
Der Marotsch fuhr quer durch Hernals, bis er auf die Höhenstraße
kam.
Die gewundene Trasse führte durch mehrere Wälder und bewaldete
Höhen-Züge. Hier, wo man die Stadtnahe nicht mehr spürte, verließ der
geheimnisvolle, dunkelgekleidete Mann den Chevrolet. Der Wagen mit der
amerikanischen Nummer war gestohlen. Der Marotsch hatte ihn, als am späten
Nachmittag das Unwetter begann, von einem Parkplatz beim Prater entwendet. Seit
dieser Zeit benutzte er diesen Wagen. Keine Polizeistreife war ihm bisher in
die Quere gekommen.
Der Marotsch mit dem Aussehen eines Biedermannes, schlug die Tür
zu.
Wie durch Zauberei setzte der Chevrolet im diesem Moment seine
Fahrt fort, ohne daß jemand hinter dem Steuer saß und Gas gab!
●
Der Chevrolet rollte bergauf. Wo die Höhenstraße den
Hermannskogelweg schnitt, bog der Wagen rechts ab.
Der Marotsch, schon einige hundert Meter von dem gestohlenen Fahrzeug
entfernt, stand unbeweglich und mit höchster Konzentration in der Nacht am
Straßenrand und schien aus halbgeschlossenen Augen das Auto zu verfolgen.
In dem Gebiet, das man hier Hirschstuben nannte stand nur wenige
hundert Meter von der Wegkreuzung entfernt ein
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