064 - Marotsch, der Vampir-Killer
hatte.
Weit drangen sie in die Vorstadtbezirke ein.
Kersky zündete sich eine Zigarette an, nachdem sein Fahrgast
dankend abgelehnt hatte.
»Wie kamen Sie auf die Idee, so zu handeln?« wollte Larry wissen.
»Man muß ihnen den Garaus machen, wo immer man sie trifft, wo man
sie vermutet!« Er schreckte aus seinen Gedanken hoch. Seine Lippen waren
schmal, und seine Backenmuskeln zuckten. Dieser selbstsichere, überlegene Mann
machte einen gehetzten Eindruck. Die Begegnung mit Inge Merkant schien ihn
sichtlich mitgenommen zu haben. »Ich bin kein Mörder«, sagte er unvermittelt,
als müsse er sich rechtfertigen. Ein schneller Blick streifte den PSA-Agenten.
»Ich habe durch mein Eingreifen vielleicht sogar Ihr Leben gerettet.«
Larry nickte. Kersky atmete tief durch. »Wissen Sie, Mister Brent,«
fuhr er fort, und seine Stimme klang erleichtert, »als ich Sie in Hofstetters
Klinik kennenlernte, da spürte ich, daß Sie wahrscheinlich der einzige sind,
der weiß, worum es geht und wovon geredet wird. Sie sind ein ungewöhnlicher
Mensch, das spürte ich sofort. Ich hatte allerdings keine Gelegenheit mehr,
mich näher mit Ihnen zu unterhalten. Ich habe das Gefühl, daß man mit Ihnen
auch über ungewöhnliche Dinge ernsthaft diskutieren kann.« Er strich sich eine
Haarsträhne aus der Stirn. »Manchmal muß man zu ungewöhnlichen Mitteln greifen,
wenn die Umstände es erfordern. Die Behörden arbeiten zu umständlich, langsam.
Manchmal kommt es mir so vor als nähme man das Ganze überhaupt nicht ernst, als
halte man dies alles wirklich für die Taten eines Verrückten, wie es in den Zeitungen
(immer wieder betont wird). Es sind wirkliche Vampire, sie sind echt! Man muß
sie ausmerzen! Geschieht das nicht, kann der Fall sich zu einer Kettenreaktion
auswachsen. Ich weiß nicht warum, ich kann es nicht erklären, aber ich kann die
Zeichen lesen. Es sind die Zeichen einer anderen Zeit, einer anderen Macht. Es
geht etwas um uns herum vor, was nicht in unseren Alltag paßt. Aber wir müssen
damit fertig werden, auch wenn es uns nicht recht ist. Um noch mal auf vorhin
zu sprechen zu kommen Mister Brent: ich bin Ihnen nachgefahren, weil ich der
Überzeugung war, daß Sie sich in Gefahr begaben. Ihre Kombinationen waren
bestechend. Wenn Inge Merkant wirklich irgendwo untertauchen wollte, dann kam
ihr Freund infrage. Auch schon aus dem Grund, weil sie sich dort – mit seinem
Blut – stärken und auch ihn zum Verbündeten machen konnte. Ich war nahe daran,
ins Haus zu kommen, kurz nachdem ich angelangt war. Da sah ich Sie auch schon
aus der Haustür stürzen. Und alles weitere wissen Sie ja.«
An der nächsten Straßenecke stand eine Telefonzelle. Larry Brent
bat Kersky anzuhalten. Von hier aus wählte er die Nummer des Leichenschauhauses.
Weder ein Angestellter noch Sachtier meldeten sich.
Das konnte einen folgenschweren Grund haben…
●
Während der Fahrt zum Leichenschauhaus erzählte Kersky noch
einiges und ging auf Larrys Fragen ein. So erfuhr X-RAY-3, daß Dr. Rolf Kersky
ein ausgezeichneter Bogenschütze war und in seinem Haus einen Raum eingerichtet
hatte, wo er Bogen aus aller Herren Länder, aus verschiedenen Epochen und von
verschiedenen Stämmen aufbewahrte. Unter anderem besaß er auch eine Anzahl
Armbrüste aus dem Mittelalter. Er hatte viel eigene Arbeitskraft und Geld
investieren müssen, um manches Sammlerstück wieder nutzbar zu machen.
Die Armbrust, mit der er dem gespenstischen Treiben von Inge
Merkant ein Ende setzte, hatte er bereits vor einer Woche schon mal angewandt.
»Da habe ich Susanne Treber erlöst«, erklärte Kerskv. »Sie war in
mein Haus eingedrungen. Ich habe ihr den zugespitzten Pfahl ins Herz geschossen.«
»Davon hat Sachtler kein Wort erwähnt.«
Kersky nickte. »Ich habe es ihm auch nicht erzählt. Ich bin
Außenseiter in meinem Denken. Fühlen und Handeln. Die Leiche des Vampirs habe
ich in einem Säurebad aufgelöst. Aber was immer ich auch tun kann, es ist
zuwenig. Ein einzelner ist überfordert. Nach der letzten ärztlichen Statistik
aus den umliegenden Krankenhäusern wurden bereits dreißig Menschen von einem
Vampir gebissen und sind dadurch selbst zu Vampiren geworden. Als Untote
verbreiten sie Angst und Schrecken und neuen Tod. Die Bevölkerung weiß nicht,
woran sie ist. Die Behörden geben keine Aufklärung. Warum nicht? Ich kann es
Ihnen sagen, Mister Brent: man fürchtet, sich zu blamieren und Dinge beim Namen
zu nennen, die man nicht sagen möchte.
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